- Vor einigen Tagen wurden bei Ausschreitungen in Nordbrasilien 13 Indios verletzt.
- Sie hatten einen Bauernhof auf dem Territorium besetzt, das sie einst bewohnten.
- Auf Unterstützung der Regierung können sie nicht hoffen: Diese ist auf Sparkurs.
Oft finden die Auseinandersetzungen zwischen Indios und Bauern tief im Urwald statt. Sie bleiben dann auch für das Auge des Gesetzes unsichtbar. Doch vom Gemetzel in der Kleinstadt Viana gab es Videoaufnahmen auf Mobiltelefonen. Sofort wurde es ein Fall fürs Fernsehen, für die breite Öffentlichkeit .
Abgehackte Hände – Polizei kommt zu spät
13 Verletzte habe es gegeben, verkündet die Moderatorin des brasilianischen Fernsehsenders Globo. Ein Indio habe einen Steckschuss; ausserdem wurden ihm beide Hände abgehackt. Die Tagesschau liefert auch gleich die Hintergründe des Konflikts. Das Volk der Gamela lebt schon ewig im Hinterland des Bundesstaates Maranhao. Jetzt sind es noch 50 Familien, zusammengepfercht auf fünf Quadratkilometern. Aber heute fordern die Gamela 140 Quadratkilometer Land zurück, das ihnen die portugiesische Krone in der Kolonialzeit geschenkt hatte. Dieses wurde ihnen längst von nicht-indigenen Bauern abgenommen.
Zu den schweren Zusammenstössen ist es gekommen, als dieser Tage 60 bewaffnete Indios auf einem Bauernhof aufmarschierten und diesen für «zurückerobert» erklärten. Dann kreuzten um die 200 ebenfalls bewaffnete Farmer auf und gingen auf die Indigenen los. Entfesselte Gewalt während Stunden, über ein Dutzend zum Teil schwer Verletzte – und Einsatzkräfte der Bundespolizei, die erst Stunden nach den Vorfällen eintrafen.
Siedlern fehlt das Unrechtsbewusstsein
«Es ist nicht gerecht, dass die Indianer uns vertreiben wollen», sagt ein Bauer. Seine Familie lebe seit 70 Jahren auf diesem Fleck Erde. Für die Indios sind uch die Nachkommen der ersten Siedler Invasoren, Feinde. Würden diese enteignet, so hätten sie Anspruch auf Entschädigung. Aber es fehle den Siedlern jegliches Unrechtsbewusstsein und Verständnis für die Ansprüche des Gamela-Volkes, sagt der Anthropologe Adelino Mendes, der die Probleme der Indios gut kennt.
Sobald die Indios Autos und Motorräder haben, sobald sie lange Hosen tragen und Mobiltelefone benützen, verspielen sie für Viele in Brasilien ihre ethnische Zugehörigkeit – und damit ihre Ansprüche auf eigenes Land. Dass der Zwist aber soweit eskalierte, hat auch mit der Indianerschutzbehörde zu tun, die die Landrückforderung des Gamela-Volkes seit drei Jahren schubladisiert hält.
Präsident will Naturschutzgebiete verkleinern
Aber die Indianerschutz-Bürokraten haben ihre eigenen Probleme. Die Regierung von Staatspräsident Michel Temer spart heftig und streicht die Mittel zum Schutz der Urbevölkerung auf die Hälfte zusammen. Daher fehlt es an Personal und Geld zum Schutz der indigenen Bevölkerung, ihrer Territorien und Forderungen.
Es ist nicht gerecht, dass die Indianer uns vertreiben wollen.
Und die einflussreiche Lobby der Landwirtschaft, die im Parlament mit 100 Abgeordneten und Senatoren vertreten ist, frohlockt sowieso: Der Präsident braucht ihre Stimmen für eine unpopuläre Rentenreform. Er hat dafür ein höchst umstrittenes Gesetzesprojekt vorbereitet. Es geht darum, fünf Naturschutzgebiete und Reservate um einen Drittel zu verkleinern. Zehntausend Quadratkilometer auch von Indios besiedelter Urwald in den südlichen Ausläufern des Amazonasbeckens sollen so für die Landwirtschaft freigemacht werden.
Während der weltweite Hunger auf Rindfleisch und Futtermittel wie Mais und Sojabohnen die Kassen der Bauern füllt, brechen für die Schwachen in Brasilien schlechte Zeiten an: Für die Indigenen und die Urwälder, in denen sie leben.