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Kampf gegen IS in Irak Irak droht Rückfall in dunkle Zeiten

Trotz sich abzeichnender Niederlage verschwinden die IS-Terroristen nicht einfach – sie könnten den Irak schon bald mit Anschlägen überziehen, befürchtet Birgit Svensson.

SRF News: Kann man wirklich vom Ende des IS-Kalifats in Irak sprechen?

Birgit Svensson: Einen zusammenhängenden «Staat» gibt es tatsächlich nicht mehr. Doch noch immer gibt es Städte und Dörfer, welche die Terrormiliz IS in Irak kontrolliert. Dazu gehören etwa Tal Afar oder grosse Gebiete in der Provinz Anbar. Bei der Aussage von Iraks Ministerpräsident Haidar al-Abadi darf man nicht vergessen, dass die irakischen Sicherheitskräfte seit Mitte vergangenen Oktobers versuchen, die Stadt Mossul zurückzuerobern. Al-Abadi muss deshalb Erfolge vorweisen und bekräftigen, dass sich die ganze Mühe lohnt. Deshalb hat er jetzt das Ende des IS-Kalifats ausgerufen.

Birgit Svensson

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Die deutsche Journalistin lebt seit 13 Jahren in Bagdad und berichtet von dort für die «Zeit», Deutschlandradio, die Deutsche Welle und SRF.

Tatsächlich stehen die beiden IS-Hochburgen in Irak und in Syrien, Mossul und Rakka, vor dem Fall. Wie steht es um die IS-Terrormiliz im Vergleich zu 2014?

Die Ausrufung des Kalifats durch IS-Anführer Abu Bakr al-Baghdadi erfolgte fast genau vor drei Jahren, am 4. Juli 2014. Dies ist ein symbolträchtiges Datum und es könnte sein, dass Abadi am nächsten Dienstag nach Mossul fliegt, um dort am Jahrestag die Rückeroberung Mossuls bekanntzugeben. Trotzdem darf man nicht vergessen: Der IS hat die Millionenstadt Mossul 2014 innerhalb von nur vier Tagen eingenommen; und die Regierungstruppen haben, zusammen mit der westlichen Allianz, acht Monate für die Rückeroberung gebraucht.

Es besteht die grosse Sorge, dass Bagdad schon bald wieder von flächendeckendem Terror heimgesucht werden könnte.

Weshalb gestaltete sich die Befreiung Mossuls derart schwierig?

Der IS hatte in Mossul von Beginn weg viele Verbündete. Das waren grösstenteils Offiziere der ehemaligen irakischen Armee unter Saddam Hussein. Der US-Verwalter für Irak, Paul Bremer, hatte nach der Besetzung des Landes durch die USA die irakische Armee aufgelöst und 750'000 Mann über Nacht auf die Strasse gestellt – sie konnten ihre Familien nicht mehr ernähren. Unter anderem aus diesem Reservoir formierte sich der Widerstand gegen die Amerikaner, zunächst unter der Al-Kaida, dann unter dem IS. Die Saddam-Loyalisten in Mossul hofften, dass ihnen die Stadt nach der Eroberung durch den IS wieder in die Hände fallen würde. Diese Männer sind gut ausgebildete und kriegserfahrene Offiziere und Soldaten. So ist die Professionalität der IS-Terroristen denn auch zum grossen Teil den ehemaligen Offizieren der irakischen Armee geschuldet.

Islamistische Terroristen und Kämpfer lösen sich nach der Eroberung nicht einfach in Luft auf – was passiert mit ihnen nach dem Fall des IS-Kalifats?

Sie zerstreuen sich im Irak – und die Situation könnte bald wieder jener von 2007/08 ähneln, als der Terror im ganzen Land überhand genommen hat. Deshalb besteht die grosse Sorge, dass Bagdad schon bald wieder von flächendeckendem Terror heimgesucht werden könnte.

Das Gespräch führte Joël Hafner.

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