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Kampf gegen Kriminaltourismus In Rumänien statt in der Schweiz ins Gefängnis – Amnesty warnt

  • Verurteilte Delinquenten aus Rumänien sollen einen Teil ihrer Haftstrafe in der Heimat verbüssen. Das ist ein Vorschlag des rumänischen Justizministers Tudorel Toader.
  • Amnesty Schweiz hält davon wenig: Die Haftbedingungen würden nicht den internationalen Standards entsprechen.
  • Ein weiteres Problem laut der Nichtregierungs-Organisation: Die Ungleichbehandlung von Straftätern, die ihren Wohnsitz nicht in der Schweiz haben.

Die Strafvollzugsanstalt Jilava bei Bukarest.
Legende: Die Strafvollzugsanstalt Jilava bei Bukarest. Reuters

Rumänen stehen an erster Stelle in der Statistik von Straftätern, die keinen festen Wohnsitz in der Schweiz haben. Wenn die Polizei sie schnappt, sitzen sie ihre Strafe ab und werden ausgewiesen. Das Problem: Viele versuchen es später einfach wieder.

Gegenüber der «Rundschau» schlägt der rumänische Justizminister Tudorel Toader nun vor: «Bringt diese Leute zu uns. Dann können sie zuhause nicht mehr erzählen, sie seien in den Ferien gewesen, obwohl sie im Gefängnis gesessen haben.»

Zwar seien die Gefängnisse in Rumänien nicht besonders komfortabel. Aber er könne garantieren, dass nur solche Anstalten ausgesucht würden, die der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) entsprechen.

Der Vorschlag kommt in der Schweiz gut an. Sowohl beim Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement wie bei der Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren begrüsst man den Vorstoss.

Wenig Platz, schlechte Hygiene

Ob Toaders Aussage bezüglich der EMRK-Standards bzw. Auswahl der Gefängnisse glaubhaft ist, kann Alexandra Karle von Amnesty Schweiz nicht sagen. Sie mahnt aber zur Vorsicht.

Im jüngsten Jahresbericht kritisieren internationale und europäische Organisationen die Zustände in den Haftanstalten. «2017 wurde Rumänien vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in einer Grundsatzentscheidung wegen überfüllter Gefängnisse zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt», sagt die Amnesty-Sprecherin.

Häftlinge lebten zum Teil auf weniger als drei Quadratmetern, bemängelten die Strassburger Richter in ihrem Urteil. Hinzu kämen unhygienische Toiletten, zu wenig Tageslicht und zu kurze Möglichkeiten, die Zelle zu verlassen. Dies sei eine inhumane Behandlung.

Der Gerichtshof sah darin ein strukturelles Problem. Rumänien müsse deshalb die Haftbedingungen grundsätzlich verbessern, hiess es.

Es fehlt an Haftplätzen

Immer wieder kommt es im Rumänien wegen überbelegten Zellen und menschenunwürdigen Zuständen in den Haftanstalten zu Gefangenenrevolten. Ende 2015 hatten die Haftanstalten insgesamt 28'300 Insassen. Um allen die gesetzlich garantierte Mindestfläche von vier Quadratmetern zur Verfügung zu stellen, wären weitere 9600 Plätze nötig. Darauf stellte die Regierung 800 Millionen Euro für die Modernisierung der Haftanstalten zur Verfügung. Doch das Problem ist noch nicht behoben, wie der Jahresbericht von Amnesty zeigt.

Ungeachtet der prekären Bedingungen in rumänischen Gefängnissen sieht Amnesty noch ein weiteres Problem auf die Schweiz zukommen: «Warum sollten rumänische Straftäter ohne ständigen Wohnsitz in der Schweiz anders behandelt werden als Straftäter anderer Nationen?»

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