Die Kommission gegen Straflosigkeit hat in Guatemala viel bewegt: In den letzten Jahren hat dort die Justiz unter anderem zwei Staatspräsidenten und eine Vizepräsidentin verurteilt und ins Gefängnis gesteckt, aber auch einige Minister, Parlamentarier, Richter oder Militärs. Sie alle wurden der Korruption und anderer krimineller Machenschaften – bis hin zu Mord – überführt.
Das wäre ohne die internationale Kommission gegen Straflosigkeit in Guatemala (Cicig) nicht möglich gewesen, sagt Adriana Beltrán, Guatemala-Spezialistin des Think Tanks Washington Office for Latin America. Denn zuvor galt die Elite als unantastbar. Die staatlichen Institutionen waren vor zwölf Jahren vollständig von kriminellen Netzwerken unterwandert.
Der Cicig gelang es während einiger Jahre, den Einfluss dieser Netzwerke zurückzudrängen. Sie stärkte die Justiz von innen, löste Untersuchungen aus, trat als Mitklägerin auf und stiess Reformen an. Daran beteiligt war auch Menschenrechtsanwalt Miguel Mörth: «Wir haben tausende von Polizisten und Staatsanwälten in Tatortbearbeitung ausgebildet. Diesen Fortschritt werden wir nachhaltig spüren.» Auch das Zeugenschutzprogramm wurde reformiert.
Dank solchen und anderen Massnahmen stieg allmählich das Vertrauen der Bevölkerung in die Justiz, es wurden mehr Straftaten gemeldet. Die Straflosigkeit konnte zeitweise von über 90 auf 70 Prozent reduziert werden und die Mordrate sank deutlich. Und doch blickt Mörth skeptisch in die Zukunft: «Alle diese Dinge, die die Cicig geschaffen hat, sind nicht wirklich institutionalisiert; sie hängen immer noch von zufälligen Mehrheiten ab.»
Am Anfang hatten die Eliten Angst vor der Justiz. Mittlerweile haben sie gelernt, wie sie diese zur Kriminalisierung ihrer Gegner benutzen können.
Denn in Gerichten, Staatsanwaltschaften und Polizeistationen gebe es stets zwei Pole: die Ehrlichen auf der einen, die Korrupten auf der anderen Seite. Die Mehrheit zwischen den Polen bezeichnet Mörth als graue Masse: «Diese richtet sich immer danach, woher der Wind gerade kommt.» Dieser Wind habe in den letzten zwei Jahren gedreht – gegen die Ehrlichen, gegen die Cicig. «Am Anfang hatten die Eliten Angst vor der Justiz. Mittlerweile haben sie gelernt, wie sie diese zur Kriminalisierung ihrer Gegner benutzen können.»
«Je mehr Mitglieder der Elite ins Visier der Korruptionsbekämpfer gerieten, desto stärker ist die korrupte Machtelite zum Gegenangriff übergegangen», erklärt Expertin Beltrán. Und der sogenannte Pakt der Korrupten – wie die Machtelite in Guatemala genannt wird – habe schnell gemerkt, dass die Cicig auch kaum mehr Unterstützung von der gegenwärtigen US-Regierung erhielt. Denn diese konzentriere sich aufs Thema Migration.
Die Machtelite habe das Land wieder fest im Griff, so Beltrán. Ausdruck davon seien die Ereignisse der letzten Tage: Nur einen Tag nachdem die Cicig ihre Arbeit einstellen musste, verhängte die Regierung mit fadenscheiniger Begründung den Ausnahmezustand über sechs Provinzen. In diesem Gebiet kämpfte die lokale Bevölkerung in den letzten Jahren gegen Bergbau- und Agrar-Grossprojekte. Dieser Widerstand wurde immer wieder von Gerichten gestützt.
Mit dem Ausnahmezustand könne die Regierung nun aber ungehindert gegen Indigene und Umweltschützer vorgehen, sagt Mörth: «Das könnte der Auftakt zu verstärkter Repression gegen solchen Widerstand gewesen sein.» Das Ende der Cicig bedeute für Guatemala deshalb vor allem eines: die Mächtigen seien wieder unantastbar. Ein Zurück in die Vergangenheit.