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Kampf um Mossul «Das wird noch richtige Probleme geben»

Die Befreiung Mossuls verläuft zäher als geglaubt, wie die Journalistin Birgit Svensson in Bagdad sagt. Und niemand weiss, was danach kommt.

1000 IS-Kämpfer getötet

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Spezialkräfte der irakischen Armee haben beim Kampf um Mossul nach eigenen Angaben im Osten der Stadt fast 1000 IS-Kämpfer getötet. Um zu vermeiden, dass Zivilisten zu Schaden kämen, setze die Armee Panzer und schwere Waffen nicht mehr ein. Es wird vermutet, dass noch etwa eine Million Einwohner in der grössten Stadt im Nordirak leben.

SRF News: Wieso verzögert sich die Befreiung Mossuls von der Herrschaft der IS-Terroristen derart?

Birgit Svensson: Es sind immer noch sehr viele Zivilisten in der Stadt. Die anrückenden Truppen möchten die Menschen schonen, was es für die Befreier ungemein schwierig macht. Man versucht jetzt deshalb, informelle Mittel einzusetzen. So haben die irakischen Telefongesellschaften die alten, ausgelaufenen SIM-Karten der Menschen in Mossul reaktiviert. Damit sollen sie der anrückenden Armee Informationen liefern, wo genau sich die IS-Stellungen befinden. Diese sollen dann gezielt bombardiert werden, damit nicht die Zivilisten getroffen werden.

Werden die Menschen in Mossul auch tatsächlich von Angriffen verschont?

So weit möglich – ja. Problematisch ist, dass der Belagerungsring um die Millionenstadt nun vollständig geschlossen ist, es kommt niemand mehr aus dem Stadtgebiet heraus. Die Menschen – und auch die verbliebenen IS-Kämpfer – sitzen nun in Mossul fest. Zwar wird es den anrückenden Truppen wohl schon irgendwie gelingen, die Stadt einzunehmen. Aber niemand weiss, wie viel Zeit sie dafür noch brauchen werden.

In den letzten Wochen wurden von den «Befreiern» Mossuls immer wieder Erfolge im Kampf gegen den IS vermeldet. Ist der Welt ein falsches Bild vermittelt worden?

Die Berichterstattung befindet sich tatsächlich in erheblicher Schieflage. Die irakischen Medien sind derzeit sehr patriotisch eingestellt und bejubeln die Armee. Entsprechend hört man von der irakischen Seite her ausschliesslich Erfolgsmeldungen. Diese News werden von vielen Medien weltweit übernommen. Allerdings gibt es kaum andere Meldungen als jene der Iraker. Das zeigt, dass der IS nicht nur militärisch geschwächt ist – so wurde kürzlich etwa der «Propagandaminister» des IS durch eine US-Drohne getötet. Ausserdem werden die einschlägigen Webseiten der Extremisten gesperrt. Entsprechend einseitig ist die Berichterstattung.

Phosphor-Anlagen und mit Erdöl gefüllte Gräben stehen in Brand.

Birgit Svensson

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Die deutsche Journalistin lebt seit 13 Jahren in Bagdad und berichtet von dort für die «Zeit», Deutschlandradio, die Deutsche Welle und SRF.

Wie steht es in der Bevölkerung? Sind sich die Iraker bewusst, dass das Bild, welches die Medien vermitteln, verzerrt ist?

Wer mit Flüchtlingen aus Mossul gesprochen oder Kontakte zu den Menschen in der Stadt hat, weiss durchaus, was los ist. Ihnen ist klar, dass heftige Kämpfe im Gange sind. Auch haben die IS-Leute ganze Tunnelsysteme angelegt, in denen sie sich unerkannt bewegen und unvermittelt zuschlagen können. Berichtet wird auch von Phosphor-Anlagen und mit Erdöl gefüllten Gräben, die in Brand stehen. Die IS-Terroristen versuchen also, den irakischen Truppen so viele Hürden und Fallen aufzustellen wie irgendwie möglich. Das verzögert den Vormarsch der Truppen erheblich.

Auch wenn es gelingt, Mossul vom IS zu befreien – vor welchen Problemen steht man dann in der Millionenstadt?

Viele sagen, dass es erst richtig los geht, wenn der IS dereinst besiegt ist. Im Kampf gegen den IS stehen jetzt alle Gegner der Dschihadisten zusammen, sie haben ein gemeinsames Ziel. Wenn der gemeinsame Feind dann mal weg ist, könnte der Kampf um Mossul erst recht vom Zaun brechen. Alle Volksgruppen, die in Mossul leben – Kurden, Turkmenen, Sunniten, Schiiten, Araber, Christen und weitere – werden dannzumal ein Stück der Stadt kontrollieren wollen. Und das wird noch richtige Probleme geben.

Das Gespräch führte Melanie Pfändler.

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