Seit Sonntagmorgen tobt die Schlacht um West-Mossul – die letzte Hochburg der Terrororganisation «Islamischer Staat» (IS) im Irak. Nachdem die irakische Armee vor einem Monat schon den Osten der Stadt erobert hat, soll der IS jetzt auch aus dem Westteil vertrieben werden. Die Journalistin Birgit Svensson beobachtet die Lage in Mossul aus der irakischen Hauptstadt Bagdad.
SRF News: Welchen Eindruck haben Sie von der Schlacht um Mossul?
Birgit Svensson: Man hört, dass wirklich heftig gekämpft wird. Im irakischen Fernsehen laufen Frontbilder in Schleife. Das erste Ziel der Armee ist es wohl, den Flughafen zurückzuerobern.
Der IS hat sich aber auch in der Altstadt verschanzt. Wie ist die Lage dort?
In der Altstadt gibt es enge Gassen und verschlungene Winkel. Die Militärfahrzeuge kommen dort nicht gut durch. Deshalb sieht es so aus, als müsste man die Altstadt im Häuserkampf erobern.
Wie können bei einem solchen Gefecht die Zivilisten geschützt werden?
In West-Mossul leben sehr viele Zivilisten. Das ist die grosse Sorge der UNO und der anwesenden Hilfsorganisationen. Die irakische Armee hat gestern Flugblätter abgeworfen, auf denen sie die Leute dazu aufruft, in den Häusern zu bleiben. Das ist vielleicht die einzige Chance auf Schutz für die Zivilbevölkerung.
Wieso sollen die Zivilisten nicht aus ihren Häusern gehen?
Es gibt viele Scharfschützen vom IS. Die würden wahllos auf die Zivilisten schiessen oder sie als Schutzschilde benützen. Zivile Opfer können sicher nicht ganz verhindert werden, weil die IS-Kämpfer in die Häuser eindringen und sich dort verschanzen. Das wissen aber die Soldaten der irakischen Armee auch. Sie können zumindest probieren, die Opfer zu limitieren.
Bis heute sind rund 200'000 Menschen geflüchtet, die UNO ist am Anschlag. Wohin können die zusätzlich vertriebenen Menschen gehen?
In den letzten Wochen wurden Camps im Süden von Mossul errichtet. Ich weiss nicht genau, wie viel Kapazität die haben, aber sie sind riesig. Die UNO geht davon aus, dass heute bis zu 750'000 Menschen in West-Mossul leben. Diese Zahl ist während den Kämpfen sogar gestiegen, weil der IS im Kampf um den Osten von Mossul Zivilisten in den Westen verschleppt hat. Man befürchtet jetzt, dass Zivilisten bei den Kämpfen zu Schaden kommen könnten.
Wie genau wollen die irakischen Regierungstruppen West-Mossul befreien?
Die genaue Strategie kenne ich nicht, die kommuniziert die Armee auch nicht. Ich war aber schon öfter in Mossul und klar ist, dass kein Panzer und kein Humvee durch diese schmalen Gassen kommt. Ich denke, dass die irakische Armee sich Haus für Haus und Strasse für Strasse vorkämpfen wird. Das habe ich zuletzt in Ramadi beobachtet. Es war ein unglaublich mühseliger Kampf.
Wird der Kampf um den Westen von Mossul schwieriger als der um den Osten?
Ja, auf jeden Fall. Der Westen ist eine enorme Herausforderung. Schon der Kampf um den Osten und die Umgebung der Stadt dauerte vier Monate. Daraus kann man schliessen, wie lange diese Schlacht noch dauern könnte.
Der Osten von Mossul ist seit knapp einem Monat befreit. Wie sieht es dort aus?
Im irakischen Fernsehen werden Propagandabilder von Kindern beim Fussballspielen gezeigt, um Erfolge vorzuweisen. Mehrere Hilfsorganisationen berichten aber auch, dass die Leute wieder zurückgehen und ihre Häuser inspizieren. Die Bereitschaft, nach Mossul zurückzukehren, ist also relativ gross.
Wann können die Bewohner von West-Mossul in ihre Häuser zurückkehren?
Da wage ich keine Prognose. Das kommt darauf an, wie es mit den Zivilisten geht. Ich habe ein Interview mit einem General der irakischen Armee gehört, der wirklich strikte Anweisungen hatte, die Zivilisten zu schonen. Entsprechend vorsichtig werden die Soldaten vorgehen. Gestern war noch die Rede von einem Korridor, den man aus der Kampfzone schaffen will. Das hat man aber auch schon in Falludscha gemacht, mit dem Resultat, dass viele IS-Kämpfer durch den Korridor geflohen sind. Das will man jetzt vermeiden. Die irakische Armee will die IS-Kämpfer wirklich erwischen und vernichten.
Das Gespräch führte Claudia Weber