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Kampfjets für die Ukraine «Die Eskalationsfrage hängt auch von politischen Faktoren ab»

Dänemark will der Ukraine 19 F-16-Kampfjets aus den USA liefern, die Niederlande haben noch keine genaue Zahl kommuniziert. Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski sprach von 62 F-16, die die Ukraine erhalten soll. Der Militärstrategieexperte Niklas Masuhr erklärt die Wichtigkeit von westlichen Flugzeugen für die Ukraine.

Niklas Masuhr

Sicherheitsanalyst

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Niklas Masuhr war Sicherheitsforscher am Center for Security Studies der ETH Zürich. Dort fokussierte er sich auf zeitgenössische Konflikte, Verteidigungspolitik und militärische Strategien. Zuvor war Masuhr an der Universität Kiel am Institut für Sicherheitspolitik angestellt.

SRF News: US-Amerikanische Kampfjets für die Ukraine – ist dieser Schritt tatsächlich historisch?

Niklas Masuhr: F-16-Kampfjets sind kein Game-Changer. Es hat sich bei der Ukraine eine Lücke aufgetan, die das Potenzial hat, zu einem grösseren Problem zu werden. Deshalb ist es aus ukrainischer Sicht wichtig, dass man Kampfflugzeuge geliefert bekommt, um die Verteidigungsfähigkeit weiterhin hochzuhalten. Ob das historisch ist oder nicht, ist eine politische Frage.

F-16 oder andere Flugzeuge erlauben der Ukraine, diese Luftverteidigung zu flexibilisieren.

Welche Lücke tut sich in der ukrainischen Verteidigung auf?

Die ukrainische Luftabwehr fusst aktuell vor allem auf Bodensystemen. Das ist möglicherweise nicht nachhaltig, weil es die ukrainische Verteidigung berechenbar macht. Und die ukrainische Führung muss eine Vielzahl von Zielen verteidigen. Es geht um die Zivilbevölkerung, um kritische Infrastrukturen, aber auch um militärische Ziele. Das heisst, es gibt das Dilemma, inwieweit man Truppen an der Front oder andere Parameter schützen will. F -16 oder andere Flugzeuge erlauben der Ukraine, diese Luftverteidigung zu flexibilisieren.

Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski in einem F-16-Kampfjet.
Legende: Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski in einem F-16-Kampfjet. Keystone/Mads Claus Rasmussen

Um diese Jets fliegen zu können, brauchte es eine Ausbildung. Wie aufwendig ist diese?

Grundsätzlich ist die sehr aufwendig. Einer der Flaschenhälse in der Ausbildung ukrainischer Piloten ist die Ausbildung in technischem Englisch für die F-16. Sie wurden aus niederländischen und dänischen Beständen Mitte der 2000 Jahre upgegradet und sind recht stark digitalisiert. Das bedeutet, ohne die sprachlichen und technischen Kenntnisse kann ein Pilot nicht allzu viel herausholen.

Vor Januar 2024 werden diese Jets nicht in der Luft sein?

Alle Schätzungen, die man aus den USA und von anderswo hört, gehen davon aus, dass sie frühestens im nächsten Jahr, im Frühjahr oder schon im Winter, eingesetzt werden.

Sollten Nato-Staaten der Ukraine auch Munition liefern, dann kann man davon ausgehen, dass – ähnlich wie bei anderen militärischen Lieferungen in den letzten Wochen – auch gewisse politische und möglicherweise auch technische Auflagen eingebaut werden.

Gemäss dem russischen Aussenminister Lawrow erhöhen Kampfjets das Risiko einer direkten Konfrontation zwischen Russland und der Nato. Zudem seien sie eine nukleare Bedrohung, da sie mit Atomwaffen bestückt werden können. Ist die Lieferung dieser Jets aus militärisch-strategischer Sicht ein Überschreiten einer bislang roten Linie?

Es ist ein Anheben des Ausrüstungsniveaus, das westliche Staaten aus eigener Hand der Ukraine zur Verfügung stellen. Die Eskalationsfrage hängt auch von politischen Faktoren ab. Und da kommt zum Tragen, dass es eine langwierige Diskussion ist und auch für Russland nicht überraschend kommt.

Könnte es sein, dass die Ukraine in der Verwendung der Jets eingeschränkt wird, sodass sie nur zur Verteidigung eingesetzt werden könnten?

Sollten Nato-Staaten der Ukraine auch Munition liefern, um beispielsweise Bodenangriffe mit F -16 durchzuführen, dann kann man davon ausgehen, dass – ähnlich wie bei anderen militärischen Lieferungen in den letzten Wochen – auch gewisse politische und möglicherweise auch technische Auflagen eingebaut werden. Dies, damit die Ukraine nicht mit diesen westlichen Waffensystemen russisches Territorium oder beispielsweise die Krim angreift. Bisher haben sich die Ukrainer daran gehalten.

Das Gespräch führte Simone Hulliger.

Echo der Zeit, 21.08.2023, 21.08.2023, 18 Uhr ; 

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