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Kandidatur von Alain Berset Bersets Wahlkampf für den Europarat ist eröffnet

Bersets Chancen gelten am Sitz des Europarats als gut bis sehr gut. Doch eine Überraschung ist nicht ausgeschlossen.

Fast über Nacht ist aus Bundespräsident Alain Berset der Europäer Alain Berset geworden. Im Café der Delegierten, in den langen Korridoren, den Sitzungssälen und in Büros: Berset war dieser Tage am Hauptsitz des Europarates überall anzutreffen. Es ist Wahlkampf und Berset mittendrin.

Zugleich sicherte er sich die Unterstützung der Schweizer Delegation im Europarat. Deren Leiter, SVP-Nationalrat Alfred Heer: «Berset hat die Unterstützung von uns allen, auch über alle Parteien. Wenn wir schon einen Schweizer als Generalsekretär platzieren können, dann wollen wir diese Chance nutzen.»

Konkurrenz aus Belgien und Estland

Neben Berset kandidieren der belgische Ex-Minister und jetzige EU-Justizkommissar Didier Reynders und der frühere estnische Kulturminister Indrek Saar. Für den Sozialdemokraten Pierre-Alain Fridez ist Berset der klare Favorit: Man suche diesmal einen profilierten Kandidaten mit dickem Adressbuch, der auch mal direkt Staats- und Regierungschefs anrufen könne.

Das sieht der Neuenburger Freisinnige Damien Cottier gleich: «Jemand mit diesem Profil ist gesucht. Der Generalsekretär muss den Dialog pflegen zu Staats- und Regierungschefs. Wer dem Europarat mehr Gewicht geben will, muss für einen starken Generalsekretär sein.»

Ob das wirklich alle Regierungen der 46 Mitgliedsländer wollen, ist eine andere Frage. Für Berset spreche, so Cottier, noch etwas anderes. «Der gute Ruf der Schweiz am Sitz des Europarats als ehrliche Maklerin. Wir vertreten in internationalen Organisationen keine Eigeninteressen. Wir sind in keiner Allianz und auch nicht in der EU.»

Das würden jene fast zwanzig Europaratsmitglieder, die ebenfalls nicht der EU angehören, schätzen.

Berset und Saar versprechen frischen Wind

EU-Staaten neigen oft dazu, jemanden aus ihrem Kreis zu wählen. Doch nachdem derzeit etliche Spitzenämter im Europarat mit Leuten aus der EU besetzt sind, müsse nun der höchste Posten in andere Hände, findet Heer: «Es ist besser für die Unabhängigkeit des Europarats, wenn jetzt ein Mann aus einem neutralen, einem Nicht-EU-Land kommt.»

Das spricht besonders gegen den Belgier Reynders, an dem, so Heer, das Etikett des EU-Apparatschiks klebe.

Berset hat gewiss Chancen, aber es reicht nicht, ein guter Kandidat zu sein.
Autor: Liliane Maury Pasquier Ehemalige Präsidentin des Europarats

Die Briten haben, so ist zu hören, haben Berset sogar ermuntert, den Hut in den Ring zu werfen. Rückenwind gabs auch aus Frankreich. Dazu kommt: Reynders hat schon früher einmal für den Posten kandidiert – erfolglos. Diesmal wäre er beim Amtsantritt im Herbst 66-jährig. Berset und Saar – beide erst 51 – versprechen da eher frischen Wind.

Auf dem Papier ist Saar der Schwächste im Wettbewerb. Doch ausgerechnet Bersets Parteikollegin und frühere Präsidentin des Europarats Liliane Maury Pasquier nimmt ihn sehr ernst: «Berset hat gewiss Chancen, aber es reicht nicht, ein guter Kandidat zu sein.»

Mehr General als Sekretär

Saar sass jahrelang selber im Europaratsparlament. Für viele dort ist er ein Kollege. Von langer Hand bereitete die Fraktion der Sozialdemokraten und Grünen – die grösste im Europarat – seine Kandidatur vor.

Einig ist man sich: Der Posten des Generalsekretärs bietet viel Handlungsspielraum. Der neue Generalsekretär solle mehr General als Sekretär sein, sagt Cottier.

Im März entscheidet der Ministerrat, ob er alle drei Kandidaten oder nur zwei in die Endrunde schickt. Im Juni wählt dann das Europaratsparlament. Es ist nicht selten für Überraschungen gut.

Echo der Zeit, 29.1.2024, 18:00 Uhr

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