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Kaschmir-Konflikt Pakistan rechnet mit indischem Militärschlag – und warnt

Nach einem Anschlag in Kaschmir droht eine Eskalation zwischen den Erzfeinden. Die USA rufen zur Deeskalation auf.

Pakistan in «höchster Alarmbereitschaft»: Nach dem tödlichen Anschlag im indisch verwalteten Teil Kaschmirs rechnet Pakistan in Kürze mit einem Angriff des indischen Militärs. Jegliche Aggression würde von Pakistan entschieden beantwortet, warnte Informationsminister Attaullah Tarar auf der Plattform X: «Indien trägt die volle Verantwortung für alle schwerwiegenden Folgen in der Region.»

Pakistan habe «glaubwürdige Geheim­dienst­erkenntnisse», wonach Indien einen Angriff in den nächsten 24 bis 36 Stunden plane. Der Anschlag im indischen Teil Kaschmirs diene Indien dabei lediglich als vorgeschobene Begründung. Pakistans Verteidigungsminister Khawaja Muhammad Asif sagte, Pakistan sei in höchster Alarmbereitschaft, würde seine Atomwaffen jedoch nur einsetzen, «wenn eine direkte Bedrohung unserer Existenz besteht».

USA versuchen zu vermitteln

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Die diplomatischen Vermittlungsversuche gehen weiter, um eine militärische Eskalation zu verhindern. Am Mittwoch telefonierte US-Aussenminister Marco Rubio mit dem pakistanischen Premier Shehbaz Sharif und mit Indiens Aussenminister Subrahmanyam Jaishankar. Er forderte die beiden Nachbarländer zur Deeskalation auf. Ob der Schlichtungsversuch einen Angriff verhindern kann, ist fraglich. «Ich würde nicht darauf wetten, denn Indien steht auch innenpolitisch unter Druck», sagt SRF-Südasien-Korrespondentin Maren Peters. «Der indische Premierminister Modi hatte bisher für sich reklamiert, die Unruheregion Kaschmir stabilisiert zu haben, ablesbar an steigenden Touristenzahlen. Der Anschlag zeigt aber: Modi hat die Lage nicht im Griff. Darum muss er jetzt Stärke demonstrieren, auch nach innen. Und das geht am sichtbarsten mit einem Angriff auf Pakistan oder pakistanisch kontrolliertes Gebiet in Kaschmir.»

Der Anschlag: Bewaffnete Angreifer hatten am Dienstag vergangener Woche auf einer Bergwiese in einem beliebten Ferienort nahe der Stadt Pahalgam 26 Menschen getötet – vorwiegend indische Touristinnen und Touristen. Die Regierung in Neu-Delhi wirft Pakistan eine Beteiligung vor, was der Nachbarstaat zurückweist. Seit dem Anschlag haben die Spannungen zwischen den beiden rivalisierenden Atommächten nochmals deutlich zugenommen.

Kriegsrhetorik auf beiden Seiten

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Narendra Modi
Legende: Der indische Premier Narendra Modi erklärte: «Die Zeit ist gekommen, jedes Stück Land zu zerstören, auf dem die Terroristen und ihre Mitverschwörer stehen.» Keystone / AP / MANISH SWARUP (Archiv)

Die indische Regierung hatte letzte Woche die Ausreise aller pakistanischen Staatsangehörigen angeordnet – und das Abkommen ausgesetzt, das die gemeinsame Nutzung des Indus regelt. Pakistan annullierte seinerseits Visa für indische Bürgerinnen und Bürger und setzte den Handel mit Indien aus.

Weiter teilte der pakistanische Premierminister Shehbaz Sharif mit, dass jeder Versuch, den Wasserlauf des Indus zu stoppen oder umzuleiten, als Akt des Krieges betrachtet «und mit dem gesamten Spektrum der nationalen Macht» beantwortet werde.

Der Kaschmir-Konflikt: Die Kaschmir-Region im Himalaya ist zwischen Pakistan und Indien geteilt – beide beanspruchen aber das ganze Gebiet für sich. Die Ursprünge des Konflikts reichen bis in die Kolonialzeit zurück. 1947 entliessen die Briten den indischen Subkontinent in die Unabhängigkeit und teilten diesen in Indien und den neuen Staat Pakistan für Muslime auf. Die gewaltvoll verlaufene Teilung nährt bis heute eine erbitterte Rivalität. Seit ihrer Unabhängigkeit führten beide Länder drei Kriege gegeneinander, zwei davon um Kaschmir.

Betende Muslime in Kaschmir, beobachtet von einem indischen Soldaten.
Legende: Indien wirft seinem Nachbarland seit langem vor, islamische Extremisten in der umstrittenen Kaschmir-Region zu unterstützen. Bild: Betende Muslime in Kaschmir, beobachtet von einem indischen Soldaten. Keystone / AP / MUKHTAR KHAN

Indien schliesst Luftraum für pakistanische Flugzeuge: Vor dem Hintergrund zunehmender Spannungen mit Pakistan schliesst Indien seinen Luftraum für Fluggesellschaften des Nachbarlandes. Betroffen seien alle Flugzeuge, die in Pakistan registriert und von pakistanischen Gesellschaften betrieben würden, Militärflüge eingeschlossen, berichteten der Sender NDTV und andere indische Medien unter Berufung auf eine Mitteilung der Behörden. Das Überflugverbot gilt demnach bis zum 23. Mai. Die US-Regierung forderte die beiden Nachbarländer zur Deeskalation auf.

Massnahme gegen Terroranschlag

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Die jüngste Ankündigung Neu-Delhis war Teil einer Reihe von Massnahmen, mit denen Indien auf einen Terroranschlag in dem von ihm verwalteten Teil der Unruheregion Kaschmir reagiert. Pakistan hatte nach Indiens ersten Gegenmassnahmen unter anderem indischen Flugzeugen verboten, über pakistanischem Territorium zu fliegen.

Die Einschätzung: Beide Seiten drehen munter an der Eskalationsschraube. Für SRF-Südasienkorrespondentin Maren Peters ist es durchaus wahrscheinlich, dass es nicht bei Worten bleibt. «Die Gefahr einer militärischen Vergeltung durch Indien ist gross.» Gemäss Analysten sei die Frage nicht, ob Indien einen Angriff auf Pakistan lanciere – sondern nur wann und in welcher Form. Die Atommächte seien sich jedoch bewusst, welche Gefahren eine direkte Konfrontation berge. «Es ist also im Interesse beider Seiten, das richtige Mass zu finden, um einen Krieg zu vermeiden», schliesst Peters.

Heute Morgen, 30.4.2025, 8:08 Uhr ; 

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