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Katalonien-Krise Separatisten müssen ohne ihre Anführer in den Wahlkampf

Das Wichtigste in Kürze

  • Das Oberste Gericht in Madrid lässt sechs ehemalige Minister Kataloniens auf Kaution frei.
  • Mit dem Ex-Vizepräsidenten Oriol Junqueras und drei weiteren Beschuldigten bleiben aber die führenden Köpfe der Separatisten hinter Gittern.
  • Ein belgischer Richter befand gleichzeitig in Brüssel, dass er über das Schicksal des früheren Präsidenten Carles Puigdemont erst am 14. Dezember entscheiden wird.
  • Die Separatisten müssen damit ohne ihre Anführer in den Wahlkampf steigen. Das ist ein Rückschlag, aber noch keine Niederlage.

Oriol Junqueras
Legende: Oriol Junqueras, der abgesetzte Vizepräsident Kataloniens und Separatistenführer. Keystone/Archiv

Rückfall. Das ist das Schlüsselwort des heutigen Urteils in Madrid. 16 Mal kommt der Begriff «reiteración delictiva» in der Urteilsbegründung vor. Der Verdacht, die vier führenden Köpfe der Separatisten könnten Delikte wiederholen. Darum werden der abgesetzte Vizepräsident Oriol Junqueras und seine Kollegen nicht freigelassen.

Für Untersuchungshäftlinge aber gilt die Unschuldsvermutung. Es ist noch gar nicht erwiesen, dass sie überhaupt Delikte begangen haben. Die angebliche «Gefahr der möglichen Rückfälligkeit» erweist sich also als eine Form der Vorverurteilung. Und der Richter setzt sich dem Verdacht aus, sein Urteil sei politisch motiviert – und nur juristisch verkleidet.

Junqueras hinter Gitter – Puigdemont in Brüssel

Den Separatisten in Katalonien mag das vorerst zupasskommen. Sie sehen darin einen weiteren Beweis dafür, dass Spaniens Justiz politisiert ist und die Katalanen unterdrückt werden. Für den Wahlkampf, der morgen beginnt, wird ihnen das aber kaum viel nützen. Und sie wären sicher lieber mit ihrem Anführer Junqueras in die Kampagne gestiegen, als ohne ihn.

Aus der Zelle kann Junqueras Ratschläge erteilen, aber es gibt keine Reden, keine Auftritte am Fernsehen, keine Debatten. Und Carles Puigdemont, der frühere Präsident, wirkt auch nur aus der Ferne, aus Brüssel, von wo er vor dem 21. Dezember, dem Wahltag, nicht zurückkehren wird.

Separatistenlager wird ein politischer Faktor bleiben

Die Unabhängigkeitsbewegung aber hat in den letzten zwei Monaten gezeigt, dass sie sich nicht aus dem Tritt bringen lässt. Durch Polizisten nicht, die Madrid geschickt hat, durch Verhaftungen auch nicht.

Am deutlichsten zeigt sich das in den fast täglich veröffentlichten Meinungsumfragen. Das separatistische Lager ist stark wie eh. Es kann aber keinen überwältigenden Sieg erwarten.

Die Stimmenmehrheit ist sehr unwahrscheinlich. Und eine parlamentarische Mehrheit ist auch nicht mehr sicher. Aber das Unabhängigkeitslager bleibt ein politischer Faktor, mit dem Madrid rechnen muss – egal, wer künftig in Barcelona regiert.

Was passiert, wenn wichtige Köpfe fehlen?

Einen Wahlkampf lang können die Separatisten auch ohne Puigdemont, Junqueras oder andere Galionsfiguren auskommen. Spätestens am Tag danach aber würden diese – oder neue – Köpfe gebraucht, die ihrer Basis und dem misstrauischen Rest der Bevölkerung erklären können, wie es nun weitergeht. Jetzt, wo deutlich wurde, dass es den schnellen Weg in die Unabhängigkeit nicht gibt. Und für den langsamen noch keine Landkarte gezeichnet ist.

Wenn diese Figuren ausfallen, ist das ein Problem, das ganz Spanien betrifft. Weil in Katalonien dann jene Köpfe fehlen, mit denen man ins Gespräch kommen sollte.

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