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Klimawandel und Dürren Ein See in Rumänien verdunstet

Der Amarasee in Rumänien hat sich in wenigen Jahren in eine Steppe verwandelt. Ein Desaster für die Menschen und die lokale Tierwelt.

Ionel Coman fährt sein rostiges Moped mitten in den See hinein. Dort, wo der Fischer den Motor abstellt, stand das Wasser noch vor drei Jahren hüfthoch. Heute glänzt in der Ferne eine Pfütze. Ansonsten: Trockene Erde und Grasbüschel. 

Coman kneift die Augen zusammen und zeigt auf das frühere Seeufer: «Da war noch vor drei Jahren alles grün. Auch das vertrocknete Schilf da drüben. Und das Wasser war voller Fische. Täglich kamen 50, 60 Angler, vor allem, um Karpfen zu fischen. Der Amarasee war eine Schönheit.»

Es ist ein apokalyptisches Bild.
Autor: Neculai Vasile Wildhüter

Der See, etwas grösser als der Pfäffikersee im Kanton Zürich oder der Wohlensee im Kanton Bern, war bis vor wenigen Jahren voller Leben. Im Wasser und am Ufer. «Es gab Wildgänse, Enten, Pelikane, Schwäne. Im Sommer war es wegen all der Vögel richtig laut», erinnert sich der Fischer. Heute raschelt höchstens der Wind im vertrockneten Schilf.

«Es ist ein apokalyptisches Bild», sagt Wildhüter Neculai Vasile auf einem Hügel neben dem See. Der See sei eine Steppe geworden.

Dazu passen die Spuren, die uns Vasile zeigt: Schakalspuren. «Schakale sind Steppentiere. Sie haben hier inzwischen gute klimatische Bedingungen, um sich zu vermehren.» Rund 100 Tiere gebe es in der Gegend und jedes Jahr werden es mehr, obwohl Vasile viele Nächte damit verbringt, sie zu jagen. 

«Die Verwandlung des Amarasees in eine Steppe hat vor etwa zehn Jahren begonnen», sagt der Wildhüter. «Seither sind die Temperaturen Jahr für Jahr gestiegen. Das Wasser ist verdunstet, der See ausgetrocknet.»

Zu 70 Prozent eine Folge des Klimawandels

Der ausgetrocknete Amarasee beschäftigt auch Sorin Rindasu, den Direktor für Notsituationen bei den nationalen rumänischen Wasserbehörden: «Zu mindestens 70 Prozent ist das Austrocknen des Amarasees eine Folge des Klimawandels.»

Die anderen 30 Prozent, sagt der Wasserexperte, seien darauf zurückzuführen, dass ein naher Fluss nach einer Flut vor Jahrzehnten seinen Lauf verändert habe, und darauf, dass danach nicht genügend getan worden sei, um wichtige Zubringerkanäle instand zu halten.

Für eine Wiederherstellung fehlt das Geld

Zumindest zum Teil könnte der Amarasee wiederhergestellt werden, sagt Ingenieur Rindasu. Allerdings wäre das aufwendig. Kanäle müssten ausgebaggert, eine Pumpstation ausgebaut und das alles instand gehalten werden. Geschehen wird das auf absehbare Zeit nicht: «Im Moment gibt es dafür kein Geld.»

Auch weil der Amarasee nicht der einzige See in Rumänien ist, der ausgetrocknet ist. Rindasu sagt, der Amarasee habe vor allem deshalb Aufmerksamkeit bekommen, weil er so wichtig gewesen sei für die lokale Bevölkerung.

Ich bin traurig und bitter.
Autor: Ionel Coman Fischer

Zum Beispiel für Fischer Ionel Coman. Er will nach Hause, aber der Motor seines Mofas springt nicht an. Ein Sinnbild dafür, wie ausgebremst sich die Menschen am Amarasee fühlen. Coman bezieht eine IV-Rente, die kaum zum Leben reicht. Wie für Dutzende andere im Dorf war Fischen ein wichtiger Teil seines Einkommens. Er sagt: «Ich habe früher regelmässig gefischt. Ich habe den Fang verkauft, einen Teil getauscht und natürlich auch Fische gegessen.»

Andere Möglichkeiten, Geld zu verdienen, gibt es für Leute wie Coman kaum in dieser ländlichen Gegend. «Das Verschwinden des Sees macht mich traurig und bitter.» Immerhin springt der Motor seines Mofas doch noch an. Der Fischer fährt davon. Er scheint es kaum erwarten zu können, die Steppe, die noch vor kurzem ein See war, hinter sich zu lassen.

Rendez-vous, 31.8.23, 12:30 Uhr ; 

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