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König Charles III. in Kenia Staatsbankett in Nairobi: ein wortakrobatischer Hochseilakt

Die Reisedestination hat die royale PR-Abteilung gezielt ausgewählt. Vor 60 Jahren wurde Kenia unabhängig. Das ostafrikanische Land spielt zudem in der Familiengeschichte der Windsors eine wichtige Rolle. Charles’ Mutter bereiste das Land 1952 als Prinzessin und kehrte als Königin nach London zurück, nachdem sie im Norden Kenias über den Tod ihres Vaters informiert worden war.

Die royale Nostalgie und der zeremonielle Glanz werden jedoch heute von der kolonialen Vergangenheit überschattet. Denn die Zeiten, in denen die schwarzen Untertanen am Strassenrand höflich winkten, wenn Könige in weissen Paradeuniformen zu Besuch kamen, sind vorbei.

«Mau-Mau-Aufstände» sind noch in dunkler Erinnerung

Kenianische Menschenrechtsorganisationen haben eine klare Forderung: «Wir wollen vom britischen König eine öffentliche Entschuldigung für die Schmerzen, die dem kenianischen Volk von den britischen Kolonialisten zugefügt wurden», fordert der Direktor der kenianischen Menschenrechtskommission, Davis Malombe.

Vor 70 Jahren hat sich der Stamm der Kikuyu gegen die britischen Kolonialherren erhoben. Die Farmen der Weissen wurden nachts überfallen und abgebrannt. Die Briten haben die sogenannten «Mau-Mau-Aufstände» jedoch brutal niedergeschlagen. Aufständische wurden gefoltert, gelegentlich kastriert oder getötet. Über 1000 Kenianer wurden exekutiert, weit über 100'000 in Lagern inhaftiert.

Vor zehn Jahren hat der damalige britische Aussenminister William Hague die Vorfälle bedauert. London hat Schmerzensgelder in der Höhe von 25 Millionen Franken nach Nairobi überwiesen. Doch viele Kenianerinnen und Kenianer wollen nicht nur Geld, sondern ebenso eine Entschuldigung.

Politisch nicht mehr als ein Aussendienstmitarbeiter

Das Staatsbankett vom Dienstag im State House in Nairobi könnte für den König deshalb zum wortakrobatischen Hochseilakt werden. Der Monarch reise nach Kenia, um die Vergangenheit besser zu verstehen, lässt der Buckingham Palace diplomatisch verlauten. King Charles wird wohl seinen aufrichtigen Schmerz und sein Mitgefühl ausdrücken, aber eine Entschuldigung wird nicht über seine Lippen kommen. Das liegt nicht an ihm, sondern an der britischen Regierung.

Mit einer Entschuldigung würde das ehemalige British Empire die Büchse der Pandora öffnen. Es wäre ein Schuldeingeständnis, das Reparationsforderungen aus der ganzen Welt zur Folge hätte. Das will man tunlichst vermeiden. Charles mag der Monarch sein, aber politisch ist er nicht mehr als ein Aussendienstmitarbeiter der britischen Regierung. In dem Sinn kann man davon ausgehen, dass jedes Wort, das der König in Nairobi zwischen Vorspeise und Hauptgang sagt, zuvor im britischen Aussenministerium sorgfältig abgewogen worden ist.  

Patrik Wülser

Grossbritannien-Korrespondent

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Patrik Wülser arbeitet seit Ende 2019 in London als Grossbritannien-Korrespondent für SRF. Wülser war von 2011 bis 2017 Afrika-Korrespondent und lebte mit seiner Familie in Nairobi. Danach war er Leiter der Auslandsredaktion von Radio SRF in Bern.

Echo der Zeit, 31.10.2023, 18 Uhr

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