Neue Kohlemine in West Virginia
Reihenweise waren in den letzten Jahren Minenunternehmen Konkurs gegangen. Seit 2012 verlor fast die Hälfte der Kohlenkumpel ihren Arbeitsplatz, vor allem in der sowieso schon armen Appalachen-Region von Tennessee bis hinauf zur kanadischen Grenze. Hier ist jede positive Wirtschaftsmeldung willkommen.
Auch in Logan County in West Virginia hat jüngst eine neue Kohlenmine ihren Betrieb aufgenommen. Dort, im abgelegenen Hirschbachtal mitten im Appalachen-Gebirge, ist ganz schön was los. Arbeiter roden Wald am Elk Creek, verlegen Eisenbahngeleise im engen Tal, bauen eine riesige Anlage, wo dereinst Kohle und Felsstücke voneinander getrennt und dann auf Bahnwaggons verladen werden sollen. Schwer beladene Camions fahren die schmale Strasse hinunter.
Diese Mine wird guten Ertrag abwerfen und Arbeit für mindestens 20 Jahre geben.
Sie kreuzen an den wenigen Ausweichstellen leere Lastwagen, die talaufwärts fahren, zum Eingang des Stollens. Vorarbeiter Tobi Edwards führt hier seine Männer fast 1000 Meter tief in den Berg hinein. Die Kohleschicht im Gestein ist gut sichtbar, am Stolleneingang knapp einen Meter dick; drin im Berg trifft sie auf eine zweite, mächtigere Lagerstätte, erklärt der Geologe Thomas Cook: «Diese Mine wird guten Ertrag abwerfen und Arbeit für mindestens 20 Jahre geben.»
Noch sei alles ganz neu, die Mine erst seit März in Betrieb, aber ab Ende Jahr laufe das hier auf Volltouren. Dann werde die Betreiberfirma Ramaco die Belegschaft kräftig ausbauen, von jetzt gut 90 auf rund 450 Leute – «neue, gut bezahlte Arbeitsplätze; genau das, was die Region am dringendsten braucht», sagt Sabrina Duda mit unüberhörbarem Stolz. Die Personalverantwortliche der jungen Minenfirma ist nur einen Steinwurf von Elk Creek entfernt aufgewachsen.
Neue, gut bezahlte Arbeitsplätze sind das, was die Region am dringendsten braucht.
West Virginia ist nach Mississippi der zweitärmste Bundesstaat der USA. Die Bezirke im Appalachen-Gebirge sind ganz besonders benachteiligt. Etwas Tourismus gibt es hier, Trainingseinrichtungen der Armee und Bergbau.
Doch die Branche ist in einer tiefen Krise. Umweltvorschriften beim Abbau und beim Verbrennen von Kohle, Pflicht zur Renaturierung bei alten Kohlezechen, vor allem aber das billigere und sauberere Erdgas machen der Kohle arg zu schaffen. Allein in den letzten fünf Jahren ist die Produktion in den USA um ein Drittel zurückgegangen, die Zahl der Arbeitsplätze hat sich sogar fast halbiert.
Doch jetzt ist am Elk Creek der Optimismus zurück: Mehr produzieren und konsumieren, mehr Arbeitsplätze, eine Wirtschaft, die brummt. Seit kurzem glauben die Menschen hier wieder daran – obwohl: Der kleine Bergbauboom in West Virginia ist ein Spezialfall. Hier wird metallurgische Kohle abgebaut, erklärt Geologe Cook. Das ist Kohle, die nicht zur Energiegewinnung, sondern in der Stahlproduktion verwendet wird. Weniger als fünf Prozent der amerikanischen Kohle eignet sich dafür. Sie ist weltweit gefragt, vor allem in Asien.
Der Entscheid, 84 Millionen Dollar in die Elk-Creek-Mine zu investieren, ist lange vor den Präsidentschaftswahlen gefallen.
Gegenwärtig kostet die Tonne metallurgischer Kohle vier- bis fünfmal mehr als gewöhnliche. Das ist lukrativ, vor allem für eine neue Firma wie Ramaco, die schuldenfrei und mit modernsten Produktionsmitteln in den Markt einsteigen konnte. Da spielt es kaum eine Rolle, wer in Washington gerade das Sagen hat, versichert Verwaltungsratspräsident Randall Atkins am Sitz von Ramaco in Wyoming telefonisch: «Der Entscheid, 84 Millionen Dollar in die Elk-Creek-Mine zu investieren, ist lange vor den Präsidentschaftswahlen gefallen.»
Seit Donald Trump allerdings den Kurs bestimme, habe die Kohlebranche als Ganzes durchaus Rückenwind gekriegt. In Keith's Bar and Grill, dem Treffpunkt der Kohlearbeiter unten im Dorf, formuliert der Wirt Keith Gamble das deutlich pointierter: Wäre Hillary Clinton gewählt worden, er hätte seinen Laden dicht machen müssen. Doch jetzt kämen die Gäste wieder, die Kumpel nach der Arbeit, ihre Familien am Wochenende und auch der Tourismus ziehe wieder an.
Das macht Hoffnung, und Hoffnung brauchen die Menschen hier.
Pittsburgh statt Paris, Stahlindustrie statt Klimavertrag; das versprach Trump. Endlich die richtigen Töne aus Washington, findet auch Scott Mills, der seit 45 Jahren in Kohleminen arbeitet. «Das macht Hoffnung, und Hoffnung brauchen die Menschen hier», sagt der freundliche Bergmann und alte Gewerkschafter. Mills hat ein Leben lang Demokraten gewählt, doch jetzt sei der Bergbau massiv überreguliert, es sei Zeit für einen Wechsel. So wie er denken die meisten hier.
Jahrzehntelang waren die Bergbaugebiete in den Appalachen demokratische Hochburgen. 1992 hatten noch 80 Prozent der Wähler hier für den Demokraten Bill Clinton gestimmt. Letztes Jahr wählten nun 80 Prozent Donald Trump.
Hier liebt man Kohle, Waffen und Gott – alles, was die Liberalen in Washington verabscheuen.
Ein radikaler Umschwung innerhalb lediglich einer Generation – und Rupie Phillips personifiziert diesen Wandel geradezu. Dabei habe er seine Überzeugungen nie geändert, versichert der Lokalpolitiker. Geändert habe sich die demokratische Partei, die keinen Platz mehr habe für den konservativen Flügel im bibeltreuen Hinterland, erklärt Phillips. Hier liebe man Kohle, Waffen und Gott – alles, was die Liberalen in Washington verabscheuten.
«Wehe, wenn einer von denen sich traut, hier gegen den Kohlebergbau zu protestieren!», droht er. Oben im Bergwerk selbst sind keine solch militanten Töne zu hören. Er sei froh, arbeiten zu können, sagt Tobi Edwards, und so mitzuhelfen, dass die Abwanderung verlangsamt, vielleicht sogar gestoppt werden kann.