War es ein vereitelter Putschversuch? Die Regierung redet nicht von einem vereitelten Putsch, sondern von einer Verschwörung. Respektive von Aktivitäten, die die Sicherheit Jordaniens gefährdet hätten.
Sicherheitskräfte verhafteten rund 20 Personen. Sie stellten auch Prinz Hamsa, den Halbbruder von König Abdullah II., unter Hausarrest. Inzwischen haben die Behörden ein Dokument veröffentlicht, in dem Prinz Hamsa seine Loyalität zum König beteuert. Gleichzeitig kursierte in internationalen Medien eine Audioaufnahme, die die offizielle Version der Verschwörung in Frage stellt.
Wer ist Prinz Hamsa? Prinz Hamsa und der heutige König Abdullah sind Halbbrüder. Ihr Vater ist der 1999 verstorbene, langjährige und sehr beliebte König Hussein. Als Abdullah dessen Nachfolger wurde, ernannte er – wie es sich sein Vater wünschte – Prinz Hamsa zum Kronprinzen. Doch fünf Jahre später ersetzte er diesen durch seinen eigenen Sohn Prinz Hussein. Die Absetzung des heute 41-jährigen Prinz Hamsa haben viele in Jordanien nicht verwunden: Der Prinz gleicht seinem Vater, dem die ältere Generation noch immer nachtrauert.
Populär ist Prinz Hamsa vor allem bei vielen Jungen, die in ihm eine Art Retter sehen, weil er in ihren Augen ein offenes Ohr hat für ihre Anliegen, und weil er sich – sogar noch, nachdem er unter Hausarrest gesetzt worden war – vehement für die Bekämpfung der Korruption ausgesprochen hat und auch das Königshaus, zu dem er selbst gehört, kritisierte. Kritik am Königshaus steht in Jordanien unter Strafe.
Jordanien gilt als eines der stabilsten Länder in einer instabilen Region. Gefährdet diese Krise seine Stabilität? Ohne, dass jemand das Militär hinter sich hat, ist jeder Putschversuch aussichtslos. Das hat Prinz Hamsa offensichtlich nicht. Die Krise ist trotzdem nicht ausgestanden: Viele Menschen sind unzufrieden, leiden unter Arbeitslosigkeit und Armut, erst recht nach über einem Jahr der ständigen Ausgangssperren wegen der Corona-Pandemie. Lautstark kritisch äussern sich gewisse Familienclans und Islamisten. Ohne Wirtschaftsprogramm, das die Leute spüren, und ohne merkliche Korruptionsbekämpfung wird sich am Unmut der Menschen nichts ändern. Immerhin: Die Regierung hat die Haftentlassung von 661 Menschen angekündigt, die im Zuge der Proteste der letzten Wochen verhaftet worden waren, aber nun als nicht gefährlich gelten.
Darf die jordanische Bevölkerung über diese Ereignisse reden? In Jordanien gilt seit Beginn der Coronakrise vor mehr als einem Jahr Militärrecht und damit verschärfte Zensur – Vorsicht ist geboten. Die Staatsanwaltschaft hat am Dienstag zudem allen etablierten und sozialen Medien verboten, über weitere Entwicklungen zu berichten.
Eine Mehrheit der Bevölkerung will nichts von einem Umsturz wissen, sie fürchtet chaotische Zustände wie in Syrien und im Irak. Nicht allen geheuer ist die Mentalität der Protestführer, zu denen Islamisten und erzkonservative Stammesvertreter gehören. König Abdullah II. steht für einen toleranten Islam, für die Toleranz zwischen den Religionen und eine gesellschaftliche Modernisierung, die gerade von den konservativsten Kräften im Land abgelehnt wird. Mit Arbeit und tieferen Lebenshaltungskosten wäre eine Mehrheit bereits zufrieden.