Das Wichtigste in Kürze
- Die Partei hat in Atlanta ihre erste grosse Parteikonferenz nach der Wahlniederlage von Hillary Clinton bei den US-Präsidentschaftswahlen begonnen.
- Traktandiert ist eine Debatte über die programmatische Ausrichtung und die Wahl des neuen Parteichefs.
- Als Favoriten werden der von Bernie Sanders unterstützte Keith Ellisondem und der eher dem Parteiestablishment nahe stehende Tom Perez gehandelt.
- Parteichefs haben in den USA relativ geringen Einfluss auf die Partei und sind eher mit europäischen Generalsekretären zu vergleichen.
Donald Trump hatte einen geradezu furchtbaren Start in das Amt des US-Präsidenten: Personalprobleme, bizarre Auftritte und ein vernichtendes Medienecho. Das sind Momente, in denen normalerweise die Opposition jubelt.
Nicht allen unter den US-Demokraten ist jedoch nach Schadenfreude über den verpatzten Start Trumps zumute. Die Demokraten stecken selbst in der Krise. Vielleicht in einer der tiefsten in ihrer Geschichte. Die Nominierung von Hillary Clinton zu ihrer Kandidatin für die Nachfolge von Barack Obama wird inzwischen auch parteiintern von vielen als schwerer Fehler angesehen.
Die Kritiker werfen ihrer Parteiführung vor, nicht rechtzeitig erkannt zu haben, wie sehr das politische Establishment bei den Wählern abgewirtschaftet hat. Trump stiess bei den Republikanern in eine Lücke, die die Demokraten nicht hätten sehen wollten – trotz des Zulaufs für ihren Parteirebellen Bernie Sanders.
Wir müssen Trump widerstehen, wo immer wir das auch nur tun können.
Der sogenannte Winter-Parteitag in Georgia soll nun die Wende bringen. Pete Buttigieg, einer von noch acht übriggebliebenen Kandidaten, die sich um den Parteivorsitz bewerben, bringt die Stimmung auf den Punkt: «Wir müssen nach vorne schauen, nicht zurück.» Der Gegner heisst Donald Trump. «Trump treibt uns in den Faschismus.» Für eine Politik nach Lehrbuch sei jetzt keine Zeit.
Gegensätzliche programmatische Ausrichtungen
Doch was tun? Grundsätzlich stehen sich bei den Demokraten zwei Denkrichtungen gegenüber. Da sind einerseits die Partei-Traditionalisten, die auf der Linie von Hillary Clinton und der Kongress-Veteranin Nancy Pelosi klassische Parteipolitik vertreten – liberal, aber patriotisch, dem gewachsenen Establishment verpflichtet. Tom Perez, früherer Arbeitsminister unter Barack Obama und Bürgerrechtsanwalt aus dem weitgehend bürgerlichen Maryland steht für diese Linie.
Gegen ihn tritt Keith Ellison um den Parteivorsitz an, ein Kongressabgeordneter aus Minnesota, ein Mann aus dem Rust Belt (Rostgürtel), jenem ehemals blühenden Industriegürtel, der heute in grossen Teilen brachliegt, was dem Populisten Donald Trump die Wähler aus der Arbeiterschaft zutrieb. Ellison gibt sich auch wenig überraschend als Arbeiterführer.
Um zurückzuschlagen, muss die Demokratische Partei deutlich machen, dass sie die Partei ist, die für die Arbeiter kämpft.
Der Parteichef: Organisator und Stimme der Basis
Ellison ist inzwischen Favorit auf den nächsten Parteivorsitz. Der Posten hat viel weniger Bedeutung als etwa bei europäischen Parteien. Der Vorsitzende ist mehr ein Organisator und Stimme der Basis. Aber immerhin: Der Parteichef gehört zusammen mit den beiden Fraktionschefs in Senat und Abgeordnetenhaus, Chuck Schumer und Nancy Pelosi, zu den Gesichtern, die die Partei in den nächsten Wahlen führen, die bereits 2018 anstehen.
Die Aussichten sind – ungeachtet aller Durchhalteparolen – nicht so rosig für die Demokraten. Zwar spüren sie die Energie, die von Hunderttausenden Demonstranten und den vielen mehr oder weniger organisierten Gruppen ausgeht, die sich als «Resistance» dem neuen Präsidenten und seiner Entourage im ganzen Land entgegenstellen. Doch ist es für die Demokraten schwieriger geworden, diese Energie auch politisch zu nutzen und in zählbare Erfolge umzumünzen.
Die Partei muss Vertrauen zurückgewinnen
Die Demokraten büssten bei den Wahlen am 8. November nicht nur das Weisse Haus ein. Sie verloren in den 50 Bundesstaaten auch sage und schreibe 1000 Sitze in Regionalparlamenten. Die Wut auf Donald Trump und die Enttäuschung seiner Wähler mag mit zunehmender Enttarnung seiner populistischen Thesen wachsen. Doch den Demokraten fehlte bisher der Hebel, die Stimmung für sich zu nutzen.
Die Partei hat den geringsten politischen Einfluss seit den 1920er Jahren. Wir brauchen eine Totalumkehr.
Dafür wird den Demokraten nicht viel mehr übrig bleiben, als der Gang über die Dörfer. «Wir dürfen den Leuten nicht mehr nur sagen, dass wir für sie kämpfen. Wir müssen es ihnen zeigen», sagt Jaime Harrison, einer der weniger aussichtsreichen Bewerber für den Parteivorsitz. Es fehle an Vertrauen für die Partei, das wieder neu aufgebaut werden müsse. Viele in den USA bezweifeln, dass dafür bis 2018 genug Zeit ist.