«Wenn Australien nach Norden schaut, dann ist da keine Leere, die andere dazu einlädt, dort ihren Willen durchzusetzen» – so drückt es Australiens Regierungschef Anthony Albanese auf dem Shangri-La-Dialog, dem asiatischen Sicherheitsgipfel in Singapur, aus.
Wer dort, im Osten Asiens, die Vorherrschaft anstreben könnte, sagt er nicht. Wenigstens nicht ausdrücklich. «Doch fühlt sich ein Land derart mächtig, dass es glaubt, sich um alle völkerrechtlichen Regeln foutieren zu dürfen, dann bedroht das die Stabilität der ganzen Region. Ein Krieg, etwa um Taiwan, wäre gar eine Katastrophe für die ganze Welt.»
Allen Anwesenden auf dem Asien-Sicherheitsgipfel war klar: Einzig China hat den Ehrgeiz und die Mittel, die regionale Ordnung umzupflügen. Weshalb Albanese betont: «Der mögliche Aggressor muss erkennen, dass die Risiken für ihn weitaus grösser wären als die Vorteile.»
Neue Bedrohungslage für Australien
Für Australien bedeutet das, stärker als bisher in die Verteidigung zu investieren und Fähigkeiten zur militärischen Abschreckung aufzubauen, etwa mit den atomar angetriebenen U-Booten aus den USA. «Das ist der grösste rüstungspolitische Sprung in der Geschichte des Landes», so Albanese.
Euan Graham vom Londoner Strategieinstitut IISS sagt: «Australien musste realisieren, dass sich die Bedrohungslage fundamental geändert hat. Zwar fürchtet niemand, dass China Australien ganz abriegeln oder gar militärisch besetzen will. Die Regierungen im Fernen Osten vermeiden es zudem, Peking öffentlich zu scharf zu kritisieren. Zu sehr sind sie allesamt auf die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit der Supermacht China angewiesen.»
Es reicht nicht mehr aus, sich für die Sicherheit gänzlich auf die USA zu verlassen.
Aber das ändere nichts daran: Man müsse die Landesverteidigung neu denken und neu planen. Ebenso die Stabilität in der ganzen Region.
Darüber sei man sich inzwischen parteiübergreifend einig, so Euan Graham: «Und es reicht nicht mehr aus, sich für die Sicherheit gänzlich auf die USA zu verlassen. Das ist nicht zuletzt mit der Amtszeit von Donald Trump deutlich geworden. Ausserdem sind die Vereinigten Staaten offenkundig nicht länger die alles dominierende Weltmacht.»
Breites australisches Verteidigungskonzept
Die Länder der Region – Japan, Südkorea oder Taiwan, aber eben auch Australien – müssten selber weitaus grössere Anstrengungen unternehmen zu ihrer Verteidigung. Gemäss Bec Shrimpton, Direktorin des australischen Instituts für Strategie und Politik Aspi, sei ihr Land momentan ausserstande, einen möglichen Angreifer wirklich auf Distanz zu halten. «Es geht jetzt nicht nur um mehr Waffen, sondern auch darum, sich besser in einem Wirtschafts-, einem Technologie-, einem Cyber- oder einem Propagandakrieg zu behaupten.»
Das neue australische Verteidigungskonzept ist daher sehr breit angelegt und sieht sehr viel mehr Mittel vor. Und es setzt stark auf Partnerschaften – weiterhin auf jene mit den USA, aber neu auch mit Japan, Südkorea oder Indien und selbst mit europäischen Ländern. Auf einen engen Schulterschluss also, nachdem die Gefahr nun als ungleich grösser eingeschätzt wird als noch vor sehr kurzer Zeit.