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Konflikt Belarus-EU «Lukaschenkos Erpressung mit Migranten hat nicht funktioniert»

Die EU hat beschlossen, die Sanktionen gegen Belarus auszuweiten: So sollen Personen oder Organisationen, die dazu beitragen, die Situation an der polnisch-belarussischen Grenze zu verschärfen, ins Visier genommen werden. Das betrifft etwa Fluggesellschaften oder Reisebüros, die Migrantinnen und Migranten nach Minsk fliegen, um sie dann über die Grenze in die EU zu schleusen.

Die Sanktionen, die die EU den Fluggesellschaften androht, zeigen offenbar Wirkung. Schon bevor diese beschlossen waren, kooperierten die Airlines. Benno Zogg vom Center for Security Studies der ETH Zürich überrascht das nicht – der Erpressungsversuch des belarussischen Machthabers Alexander Lukaschenko drohe, ins Leere zu laufen.

Benno Zogg

Center for Security Studies, ETH Zürich

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Benno Zogg forscht am Center for Security Studies der ETH Zürich zu Sicherheitspolitik mit Fokus Osteuropa, Russland und Zentralasien.

SRF News: Warum zeigen die angedrohten Sanktionen gegen Fluggesellschaften, die Flüchtende nach Minsk bringen, so schnell Wirkung?

Benno Zogg: Die EU ist an verschiedenen Fronten aktiv geworden. Einerseits mit der Ankündigung der fünften Sanktionsrunde gegen Exponenten des belarussischen Regimes, andererseits aber auch gegen Fluggesellschaften. Neben der staatlichen belarussischen Airline Belavia sind auch andere Fluggesellschaften betroffen, die Belarus bis vor kurzem noch angeflogen haben oder dies weiterhin tun. So etwa Turkish Airlines mit der wichtigen Verbindung Istanbul-Minsk.

Es geht für Lukaschenko auch darum, irgendwie gesichtswahrend aus dieser Sache herauszukommen.
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Turkish Airlines hat nun erklärt, dass man keine Tickets mehr an syrische, jemenitische oder irakische Staatsangehörige verkaufe. Der Zustrom dieser Nationalitäten ist also unterbunden. Eine syrische Fluggesellschaft hat die Flüge nach Minsk ganz eingestellt. Die Drohungen und Diplomatie der EU haben hier definitiv gewirkt.

Die EU lässt die Muskeln spielen

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Die Fluggesellschaften haben schnell auf den Druck aus Brüssel reagiert. Das überrascht Sicherheitsexperte Zogg nicht: «Die EU hat eine enorme Marktmacht. EU-Flughäfen anfliegen zu können bringt enormen wirtschaftlichen Gewinn.»

Eine grosse Fluggesellschaft wie Turkish Airlines dürfte etwa kein Interesse daran haben, ins Fadenkreuz der EU zu geraten. «Hier hat die türkische Luftfahrtbehörde offiziell eingelenkt», sagt Zogg. Auch eine kleine syrische Airline kann sich nicht auf ein Kräftemessen mit der EU einlassen.

Wenn es um solche gezielten Massnahmen gehe, könne die EU auch sehr geeint auftreten, erklärt der ETH-Forscher. Wenn es allerdings um Massnahmen gehe, die das belarussische Regime oder dessen Exponenten betreffen, ist das Bild weniger klar. «Aber selbst die belarussische Airline Belavia hat eingelenkt und nimmt keine Passagiere aus den genannten Nationalitäten in seinen Flügen zwischen Dubai und Minsk mehr an Bord.» Belavia habe sicherlich auch Angst, dass die EU aufhören könnte, ihnen Flugzeuge zu leasen. Denn dann müsste die Airline fast ihren Betrieb einstellen.

Welche EU-Sanktionen könnten Belarus besonders schmerzen?

Bis zu einem gewissen Grad tun das bereits die jetzigen Sanktionen. Fast 200 Einzelpersonen und 15 belarussische Firmen stehen bereits auf der Sanktionsliste der EU. Das betrifft gewisse Leute zwar durchaus – doch die Sanktionsmittel der EU sind auch begrenzt. Denn die Beziehungen zwischen Belarus und der EU waren schon vor der Krise nicht sehr eng. Es gibt keine grosse wirtschaftliche Abhängigkeit. Das Gewicht der EU ist also begrenzt. Ihre Strategie ist aber, «smarte» Sanktionen zu erlassen: Einzelpersonen, die für eine gewisse Politik verantwortlich sind, werden herausgesucht und werden gezielt bestraft – etwa mit Einreisesperren.

Der Konflikt an der EU-Aussengrenze in drei Punkten

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Migranten warten an der Grenze zu Polen.
Legende: Keystone
  • In der Kritik steht vor allem Belarus. Dem belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko wird vorgeworfen, Migrantinnen und Migranten absichtlich an die Grenze zu Polen zu transportieren, um den Druck auf die EU zu erhöhen, die Sanktionen gegen ihn verfügt hat.
  • Doch auch Polen wird kritisiert: Das Nachbarland beschützt seine Grenze mit tausenden Soldaten.
  • Einige Migrantinnen und Migranten berichten sogar, sie seien vom EU-Land Polen über die Grenze zurück nach Belarus gebracht worden, ohne dass sie einen Asylantrag stellen konnten. Ein solches Vorgehen nennt man «Pushback».

Der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko hat versprochen, Belarus werde dafür sorgen, dass die Migrantinnen und Migranten in deren Heimatländer zurückgeflogen würden. Trauen Sie dieser Ankündigung?

Das ist immer enorm schwierig. Denn Lukaschenkos Aussagen ändern sich manchmal von Tag zu Tag, je nach Stimmung. Doch diese Worte muss man durchaus ernst nehmen. Ich glaube, es sind erste Signale in Richtung einer Deeskalation. Er hat gesagt, dass man diesen Migranten ans Herz legen will, das Land zu verlassen und man eine Rückflugaktion ermöglichen soll, wie es die irakische Regierung angekündigt hat. Zudem sagte Lukaschenko, es sei nicht im Interesse von Belarus, einen Grenzkonflikt mit Polen zu führen.

Lukaschenko
Legende: Einlenken und versuchen, das Gesicht zu wahren? Der belarussische Machthaber hat sich in eine vertrackte Lage manövriert. Keystone

Angesichts der chaotischen Szenen hätte wohl nicht viel gefehlt, bis auch Schüsse an der Grenze gefallen wären – als Unfall oder auch gezielt. Es geht für Lukaschenko auch darum, irgendwie gesichtswahrend aus dieser Sache herauszukommen. Denn die EU mit Migranten zu erpressen, hat nicht funktioniert. Er hat keinen politischen Deal erhalten dafür, dass er Migranten von der EU fernhält.

Das Gespräch führte Roger Brändlin.

Echo der Zeit, 15.11.2021, 18 Uhr ; 

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