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Armenische Präsenz in Bergkarabach ist Geschichte
Aus Echo der Zeit vom 29.09.2023. Bild: EPA/ANATOLY MALTSEV
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Konflikt im Südkaukasus Verlust von Bergkarabach: für Armenien ein nationales Trauma

Die Flucht der armenischen Bevölkerung aus Bergkarabach geht weiter. Zuletzt wurde gemeldet, 90'000 Menschen hätten das Gebiet nach Armenien verlassen. Offiziell hatte Karabach eine Bevölkerung von 120'000 Armenierinnen und Armeniern. Die Regierung in Eriwan glaubt, dass keine und keiner von ihnen dort verbleiben werde.

Das ist für Armenien ein nationales Trauma. Karabach hat in der armenischen Kultur eine besondere Bedeutung – etwa für die Entwicklung des armenischen Christentums und der armenischen Schriftsprache. Doch Karabach war vor allem ein Symbol in der langen Leidensgeschichte des armenischen Volkes.

Geschichte der Verfolgung

Diese ist von Verfolgung und Vertreibung geprägt. Der Völkermord von 1915 bis 1917, als die osmanische Regierung einen grossen Teil der armenischen Bevölkerung des Reichs ermorden oder deportieren liess, sitzt den Armenierinnen und Armeniern bis heute tief in den Knochen. Nach dem Zerfall der UdSSR gab es in Aserbaidschan erneute Pogrome gegen die armenische Bevölkerung.

Vor diesem Hintergrund erklärten die Karabach-Armenier 1991 ihre Unabhängigkeit von Aserbaidschan. Im anschliessenden Krieg konnten sie sich durchsetzen. So galt Karabach für viele als einzige Region, aus der die Armenierinnen und Armenier nie vertrieben wurden – ein «Teufelskreis der Verfolgung» war gebrochen worden, in den Worten einer Armenierin. Dass die armenische Bevölkerung nun doch vertrieben wird, ist für viele Armenierinnen und Armenier eine Katastrophe.

Jetzt wird Kritik laut: an der EU, an den russischen Friedenstruppen und an der armenischen Regierung, die alle tatenlos zugeschaut hätten. Doch man hört auch Selbstkritik. Nach dem gewonnenen Krieg in den 1990ern kontrollierten die Armenier Bergkarabach sowie angrenzende Gebiete Aserbaidschans. Tausende Aserbaidschaner wurden ihrerseits vertrieben. Doch statt eine Lösung zu finden, die allen gedient hätte – vielleicht sogar eine, in der Aserbaidschaner und Armenier wieder Seite an Seite gelebt hätten –, habe man den Moment dazu verpasst, sagen einige in Armenien.

Radikalisiertes Aserbaidschan

Das geht auch auf das Konto der damaligen nationalistischen Anführer Armeniens. Heute ist Armenien eine Demokratie, in der viel offener über eine Friedenslösung diskutiert werden kann. Inzwischen hat sich nun aber Aserbaidschan deutlich radikalisiert. Das Regime von Ilham Alijew hetzt unaufhörlich gegen Armenierinnen und Armenier, um von seiner eigenen Ungerechtigkeit abzulenken. Vor diesem Hintergrund stützt die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung in Aserbaidschan die kompromisslose Rückeroberung von Bergkarabach.

Dieses Ziel hat Aserbaidschan erreicht. Doch Armenien kommt nicht zur Ruhe. Denn Aserbaidschans Präsident Alijew spricht von historischen Ansprüchen auf Teile Armeniens, sogar auf die Hauptstadt Eriwan.

Die Niederlage in Bergkarabach hat gezeigt, dass keiner Armenien schnell zu Hilfe eilt. Jetzt glauben viele Armenierinnen und Armenier, sie seien wieder im Teufelskreis der Verfolgung gefangen.  

Calum MacKenzie

Calum MacKenzie

Russland-Korrespondent

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Calum MacKenzie ist Russland-Korrespondent von Radio SRF. Er hat in Bern, Zürich und Moskau Osteuropa-Studien studiert.

Echo der Zeit, 29.09.2023, 18:00 Uhr

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