SRF News: Was sind die Gründe für diese Handelsblockade?
David Nauer: Die Handelsblockade ist eine Reaktion auf das Vorgehen der Separatisten. Diese haben vor kurzem ukrainische Unternehmen, die auf Separatistengebiet liegen, enteignet. Auch das war wieder eine Reaktion. Nämlich darauf, dass ukrainische Nationalisten Eisenbahnlinien in die Separatistengebiete blockiert haben. Die beiden Seiten befinden sich in einer Eskalationsspirale und geben sich gegenseitig die Schuld daran.
Darum geht es
- Die Regierung in Kiew hat heute eine Totalblockade gegen Gebiete unter Kontrolle prorussischer Separatisten im Osten erlassen.
- Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko hat zuvor angeordnet, den gesamten Güterverkehr mit den von Separatisten gehaltenen Gebieten in der Ostukraine zu stoppen.
- Der Konflikt in der Ukraine wird immer mehr zum Wirtschaftskrieg.
Schadet sich Kiew nicht selbst damit?
Doch. Es gab bereits eine Teilblockade der Separatistengebiete durch ukrainische Nationalisten. Die Regierung in Kiew erklärte damals, dadurch würde im Land langfristig ein Milliardenschaden entstehen. Jetzt macht die gleiche Regierung genau diese Blockade zur offiziellen Politik. Zudem ist die Ukraine auf Kohle aus den Seperatistengebieten angewiesen. Die Statistiken zeigen, dass das Land in den letzten Wochen immer mehr Kohle importieren musste und diese Kohle ausgerechnet in Russland einkauft – also genau dem Land, das aus ukrainischer Sicht der Aggressor ist. Meiner Meinung nach ist das alles keine zusammenhängende Politik.
Wieso schafft es die Regierung in Kiew nicht, auf die Separatisten zuzugehen?
Präsident Petro Poroschenko und seine Regierung sind Geiseln ihrer eigenen Politik.
Die Ukraine fühlt sich von Russland angegriffen und die Separatisten werden als reine Handlanger Moskaus gesehen. Daraus leitet sich ab, dass Kiew zu keinen Kompromissen bereit ist. Dazu muss man sagen: Natürlich unterstützt der Kreml die Ukraine massgeblich.
Die unversöhnliche Haltung der Ukraine trägt aber auch dazu bei, dass man eine Lösung findet.
In der ukrainischen Bevölkerung entsteht sogar eine Stimmung, dass man es den in den Separatistengebieten mal zeigen müsse, diese Stimmung muss die Regierung jetzt bedienen.
Wird dieser Schritt die Gräben weiter vertiefen?
Tatsächlich driften die Separatistengebiete immer weiter weg von Kiew – und zwar in Richtung Russland. In den Supermärkten stehen schon fast nur noch russische Lebensmittel. Und der Rubel ist seit neustem auch offizielles Zahlungsmittel.
Mit dem heutigen Entscheid werden auch noch die letzten Wirtschaftsbeziehungen zur Ukraine gekappt.
Das ist für die Menschen in den Separatistengebieten sehr hart. Das Gebiet ist so schon bitterarm, es soll auch schon zu Entlassungen gekommen sein. Die Menschen machen die Regierung in Kiew dafür verantwortlich – nicht Russland oder die Separatistenchefs. Das führt dazu, dass die Gräben in der Ukraine immer tiefer werden.