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Konflikt zwischen Iran und USA Der (Schatten-)Krieg geht weiter

Die erste Eskalationswelle nach der Tötung des iranischen Top-Generals Kassem Soleimani ist verebbt. Doch das heisst nicht, dass der Konflikt nicht weiter eskalieren wird.

Montazer Ali Majid ist wütend. Der junge Iraker marschiert mit mehreren hundert Gleichgesinnten durch die Strassen von Kerbala. Kerbala, das ist jene Stadt im Zentrum Iraks, in welcher im siebten Jahrhundert jene berühmte Schlacht zwischen dem schiitischen Imam Hussein und den sunnitischen Umayyaden stattgefunden hat. Daraus speist sich bis heute das Verständnis der Schiiten als Märtyrer und Opfer.

Doch Montazer hat heute keine Zeit für Geschichte. Er demonstriert dagegen, dass Irak nicht mehr den Irakern zu gehören scheint, sondern den USA und den Iranern: «Wir Iraker verlangen nichts anderes, als dass all diese Demonstrationen hier in Kerbala und in vielen anderen Städten im ganzen Land zu einer wirklich unabhängigen Regierung führen.» Unabhängig, damit meint Montazer nicht entweder dem Iran zugetan oder den USA.

Tötung von Soleimani verändert soziale Proteste

In Beirut seufzt Mohanad Hagi Ali nur tief, als er die Geschichte von Montazer hört. «Die Iraker haben ihre ganze Protestbewegung auf der Eigenständigkeit aufgebaut. Sie wollten darüber diskutieren, was gut ist für Irak und für die Iraker. Aber die Ermordung von Kassem Soleimani hat die ganze Rhetorik über den Haufen geworfen. Heute wird in Irak nicht mehr diskutiert, was gut ist für die Iraker und für Irak, sondern was die Iraner in Irak tun werden, und was die USA in Irak tun werden.»

Mohanad Hagi Ali ist Politologe am Carnegie Nahost-Zentrum in Beirut. Er ist ein Kenner der Hisbollah, jener von Iran unterstützten und gelenkten Miliz, die Libanon mit ihren Waffen jederzeit in ihre Gewalt bringen könnte. «Teheran hat diese Milizen in Libanon, Irak, Syrien, Gaza, Afghanistan und Jemen aufgebaut, weil es so die amerikanische Einflussnahme in Iran selber zurückdrängen will. Diese von Iran gelenkten Milizen in all diesen Ländern sind eine Verteidigungslinie, weit weg von den eigenen Grenzen.»

Iran will US-Einfluss im Nahen Osten zurückdrängen

Und diese Verteidigungslinie, da ist sich Mohanad Hage Ali sicher, wird Iran nun aktivieren. «Diese iranischen Stellvertreter werden aktiv werden gegen die USA, entweder direkt mit militärischen Aktionen oder auch politisch.»

In Libanon beispielsweise unterhalten die USA ein Programm zur Unterstützung der libanesischen Armee. «Die Hisbollah rührt bereits die Trommel gegen diese Unterstützung.» Das Ziel der Hisbollah ist es, dass die USA ihr Programm aufgrund des politischen Drucks in Libanon einstellen müssen. Das wiederum gäbe der Hisbollah mehr Macht. «Wir sehen einen richtigen Hype darin, den amerikanischen Einfluss im gesamten Nahen Osten zurückzudrängen, und dieser Hype wird in den nächsten Tagen nur zunehmen», sagt Mohanad Hage Ali.

Wer darunter leidet, ist die lokale Bevölkerung. «Libanon steht vor dem finanziellen Kollaps. Aber das kümmert die USA und die Hisbollah nicht», so Ali. Die Hisbollah versuche, gegen die USA zu punkten, und die USA versuchten, gegen die Hisbollah zu punkten. Statt dass Libanon sich auf seine Zukunft konzentrieren könne, werde das Land zum Schlachtfeld eines Stellvertreterkonflikts. «Und so geht es allen Staaten, in denen Iran seine Milizen aufgebaut hat», resümiert der Politologe in Beirut.

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