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Konfliktregion Syrien Das Grauen ohne Ende

Der Krieg in Syrien ist inzwischen weit mehr als bloss ein Bürgerkrieg. Ein halbes Dutzend Staaten stehen einander feindselig gegenüber. Wer will in Syrien welche Ziele erreichen – und mit welchen Mitteln? Eine Übersicht.

Syrien bzw. das Assad-Regime: Zwei Hauptziele stehen im Vordergrund. Diktator Baschar al-Assad und seine Kamarilla sollen an der Macht bleiben und die Herrschaft über ganz Syrien soll zurückerobert werden. Deshalb 2016 der Sturm und die opferreiche Einkesselung von Aleppo, deshalb heute die blutige Schlacht in Ost-Gutha und demnächst wohl der Angriff auf Idlib.

Bei der Wahl der Mittel ist das Regime in Damaskus nicht zimperlich. Zwar gelten alle Angriffe offiziell «Terroristen». Gemeint sind Rebellenmilizen, die zu einem guten Teil im islamistischen Lager zu verorten sind. Aber Assad bezeichnet alle seine Gegner als Terroristen. Und vor allem nimmt er keinerlei Rücksicht auf Zivilisten. Mit dem Unterbinden humanitärer Hilfe nimmt er sie gar als Geiseln. Und er schreckt auch nicht zurück vor direkten Angriffen auf die Bevölkerung, unter anderem mit Abwürfen von mit C-Waffeneinsätzen gefüllten Fassbomben.

Iran: Der Iran will de facto die Kontrolle über Syrien ausüben. Und so Assad zu einer Art Statthalter degradieren. Teheran profitiert von seiner Schützenhilfe für Assad auch mit Wirtschaftsverträgen mit Syrien, die zu seinen Gunsten ausgestaltet sind. Teheran will eine Art Landbrücke zwischen dem Kaspischen Meer und dem Mittelmeer kontrollieren, um so ungehinderte Waffenlieferungen an seinen potentesten Verbündeten, die libanesische Hisbollah, sicherzustellen. Iran-nahe Milizen rücken zudem immer näher heran an die von Israel besetzten Golanhöhen.

All das soll dazu dienen, Iran als führende Macht im Nahen Osten zu etablieren. Deshalb hat der Iran vom ersten Moment des Bürgerkriegs an auf das Assad-Regime gesetzt und dieses massiv direkt oder indirekt mit schiitischen Milizen und der Hisbollah unterstützt. Der Iran hat gut gepokert und scheint seine Ziele zu erreichen.

Israel: Die Regierung in Jerusalem lebte jahrelang mit dem Diktator in Damaskus in Feindschaft, aber in stabiler Feindschaft. Die Grenze zu Syrien war Israels sicherste. Das änderte sich mit dem Beginn des Syrien-Krieges. Israel hat nun als Hauptziel deklariert, eine iranische Vormacht in Syrien zu verhindern – was bisher nicht gelang. Sollte der Iran permanent militärisch in Syrien präsent sein, würde man gar einen Krieg riskieren, sagt Regierungschef Benjamin Netanjahu. Ganz besonders will Israel die inzwischen militärisch sehr potente Hisbollah zurückdrängen. Vorläufig begnügt sich Israel mit Nadelstichen gegen syrische und iranische Aktivitäten – mal wird ein Waffenkonvoi für die Hisbollah angegriffen, mal eine Fabrik, wo mutmasslich C-Waffen hergestellt werden, oder aber iranische Drohnen. Die Situation könnte aber rasch eskalieren.

Russland: Moskau will militärische Stützpunkte in Syrien und sich generell im Nahen Osten wieder zurückmelden. Dort spielte es seit dem Ende des Kalten Krieges kaum mehr eine Rolle. Und vor allem will Russland dem Westen, den USA die Stirn bieten und sich wieder als Akteur an den Tisch der Grossmächte setzen. Deshalb unterstützt Russland das syrische Regime vor allem aus der Luft, aber auch mit Söldnertruppen am Boden. Und vor allem politisch, indem es mit unzähligen Vetos im Sicherheitsrat die UNO in der Syrien-Krise handlungsunfähig macht. Russlands Kalkül scheint aufzugehen. Sein Schützling Assad sitzt wieder fest im Sattel, Russland ist im Syrien-Konflikt und darüber hinaus zum unverzichtbaren Gesprächspartner geworden.

USA: Die USA wollten ursprünglich das Assad-Regime von der Macht entfernen. Ein Ziel, das sie inzwischen fallengelassen haben. Sie wollten den IS bekämpfen, was sie taten – mit Erfolg. Der IS als Quasi-Staat ist verschwunden. Im Untergrund dürfte er jedoch weiter Metastasen treiben. Mittlerweile besteht das amerikanische Hauptziel darin, zu verhindern, dass der Iran die dominierende Macht in Syrien bleibt und sein Projekt einer vom ihm kontrollierten Verbindung bis ans Mittelmeer zustande bringt. Das Vorgehen der USA ist von Hüst und Hott geprägt. Unter Präsident Barack Obama wollten sie sich in Syrien möglichst wenig engagieren – zumal die US-Bevölkerung das nicht goutiert. Doch auch unter Donald Trump scheinen sie nicht bereit, sich massgeblich einzusetzen. Entsprechend ist das Gewicht der Amerikaner in Syrien begrenzt.

Türkei: Für das Erdogan-Regime sind sozusagen alle Kurden Terroristen. Ankara will deshalb um jeden Preis verhindern, dass an der türkischen Südgrenze ein ganz oder teilweise autonomer kurdischer Staat entsteht. Um das zu erreichen, greift die Türkei nun massiv ins syrische Kriegsgeschehen ein. Das ärgert die USA, weil die Türken ausgerechnet ihre wichtigsten – und fast einzigen – Verbündeten in Syrien angreifen. Russland hingegen profitiert machtpolitisch vom Zwist zwischen Ankara und Washington und verhindert die türkischen Luftangriffe nicht, obschon es dazu imstande wäre.

Golfstaaten: Saudi-Arabien und andere Golfstaaten unterstützen weiterhin sunnitische Kräfte in Syrien, darunter auch radikale, selbst solche, die dem Terrornetzwerk al-Kaida nahestehen. Sie tun das nurmehr begrenzt direkt militärisch, jedoch mit waffentechnischer und finanzieller Unterstützung. Je mehr es aber den vereinten Kräften von Assad, dem Iran und Russland gelingt, die syrischen Rebellen zurückzudrängen, umso mehr schwindet der Einfluss der Golfstaaten in Syrien.

Konsequenz: Die machtpolitische Gemengelage in Syrien ist unübersichtlich. Das macht eine rasche Befriedung fast unmöglich. Die Ende Februar vom UNO-Sicherheitsrat in seltener Einmütigkeit beschlossene Resolution für eine Feuerpause in Ost-Gutha und damit verbunden der Zugang für humanitäre Helfer entpuppte sich bereits nach wenigen Stunden als Farce. Der Syrienkrieg geht in die Verlängerung. Nach sieben Jahren Blutvergiessen, rund 400'000 Toten und Millionen von Vertriebenen. Die Zukunft des Landes ist ungewiss. Ein Ende des Krieges ist nicht abzusehen. Der Albtraum geht weiter.

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