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Graits ÖV: Gute Idee oder zuwenig Anreize zum Umsteigen?
Aus SRF 4 News aktuell vom 23.01.2019.
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Kostenloser ÖV in Luxemburg «Die Frage ist, wer tatsächlich auf den Bus wechselt»

In Luxemburg sind ab März 2020 die öffentlichen Verkehrsbetriebe für alle Nutzer der zweiten Klasse gratis. Damit wird der Kleinstaat das einzige Land der Welt mit gratis ÖV. Kay Axhausen, Verkehrsplanungsprofi, findet es aber nicht eine besonders gute Idee.

Kay Axhausen

Kay Axhausen

Professor für Verkehrsplanung an der ETH Zürich

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Das Institut für Verkehrsplanung und Transportsysteme (IVT) der ETH Zürich befasst sich mit Verkehrsplanung, Raumplanung, Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft, sowie mit Transporttechnik.

SRF News: Ist kostenloser ÖV eine gute Idee, um die Nutzung des öffentlichen Verkehrs zu fördern?

Kay Axhausen: Ich bin mir nicht so sicher, weil der Fahrpreis ja nur ein kleiner Teil des Gesamtaufwandes für die Nutzer ist. Die Konkurrenz des Fahrrads oder auch des Autos ist halt sehr stark.

Gratis ÖV in Luxemburg

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Luxemburg ist ein Staat mit knapp 2600 Quadratkilometern. Es wird der erste Staat sein, der kostenlosen öffentlichen Verkehr anbieten wird. Auch die rund 200'000 Menschen, die jeden Tag aus Deutschland, Frankreich und Belgien nach Luxemburg zur Arbeit pendeln, werden davon profitieren. Unklar ist allerdings noch, ob es Lücken im System geben wird. Was die Regierung entschieden hat, betrifft beispielsweise die Verkehrsgesellschaft AVL der Stadt Luxemburg nicht. Es liegt in der Kompetenz der Gemeinde, selber zu entscheiden, ob auch ihr ÖV kostenlos werden wird.

Luxemburg ist durch den Autoverkehr massiv belastet. Deswegen kam die Idee mit dem kostenlosen öffentlichen Verkehr auf. Was bringt sie?

Die Reduktion der Nutzung bringt natürlich etwas. Aber die Frage ist, wer dann tatsächlich auf den Bus wechselt. Sind es die richtigen Leute, die man aus dem Auto herausholt? Das ist a priori nicht klar. Das Auto ist in der Regel deutlich schneller und deutlich bequemer. Wie viel Leute sind bereit, auf diese Schnelligkeit und Bequemlichkeit zu verzichten? Dieser Anteil wird relativ klein sein.

Sie sagen, kostenloser Nahverkehr sei als Anreiz nicht stark genug, um Autofahrer dazu zu bewegen, ihren Wagen stehen zu lassen. Was würde denn etwas bringen?

Die klassischen Methoden, die man anwenden könnte, sind Strassengebühren wie in Singapur oder eine deutliche Rationierung der Parkplätze wie in Japan. Auf der Seite des ÖV ist das eine deutliche Verbesserung des Taktes und des Angebotes, um die Fahrt als solche schneller zu machen.

Sprechen wir über die finanziellen Aspekte. Gratis öffentlicher Verkehr kommt die öffentliche Hand sehr teuer. Was sind die Hauptkostentreiber?

Die Frage ist, ob dieser gratis ÖV dazu führen wird, dass das bestehende Angebot nicht mehr ausreicht, um die Kunden bequem und pünktlich und verlässlich zu befördern. Wenn das tatsächlich passiert, muss der Verkehrsbetrieb Fahrzeuge beschaffen und Mitarbeiter anstellen, um die Nachfrage zu befriedigen.

Wir sparen ein paar Autofahrten ein. Wir sparen etwas Energieverbrauch ein, es wird weniger CO2 ausgestossen und es gibt ein bisschen weniger Stau.

Wo sehen Sie Vorteile?

Der Preis regelt die Nachfrage. Natürlich werden manche Nutzer dazukommen. Aber man muss daran denken, dass regelmässige Nutzer des ÖVs über Monats- und Jahreskarten sowieso schon stark reduzierte Preise haben. Es geht eigentlich nur noch um einen relativ kleinen Anteil des Marktes. Deshalb muss man halt damit rechnen, dass dieser nicht ausreicht, um in einer Kosten-Nutzen-Analyse zu einem positiven Ergebnis zu kommen. Wir sparen ein paar Autofahrten ein. Wir sparen etwas Energieverbrauch ein, es wird weniger CO2 ausgestossen und es gibt ein bisschen weniger Stau. Aber reicht das aus, um die auflaufenden Kosten des freien Personenverkehrs zu rechtfertigen?

Kostenloser öffentlicher Verkehr ergibt also umwelt- und finanzpolitisch für Sie nicht wirklich Sinn?

Das muss im Einzelfall untersucht werden. Man muss sich fragen – wie erwähnt – ob der Nutzen der verzichteten Autofahrt genug gross ist, um die zusätzlich übernommenen Kosten zu rechtfertigen.

Das Gespräch führte David Karasek.

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