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Krieg in der Golfregion Jemenitische Rebellen nehmen Arabische Emirate ins Visier

Die Huthi-Rebellen schiessen Raketen auf Ziele in den Arabischen Emiraten. Warum die Eskalation?

«Unsere Luftabwehr ist Weltklasse», sagt Lana Nusseibeh. Doch die UNO-Botschafterin der Vereinigten Arabischen Emirate muss gleichzeitig einräumen, dass ihr Land wohl nachrüsten werde. Die Emirate seien mit Washington darüber im Gespräch, wie das Abwehrarsenal noch verbessert werden könne, sagte sie diese Woche im Interview mit CNN.

Kriegstote in Abu Dhabi

Schuld an der Verunsicherung sind die Huthi-Rebellen in Jemen. Deren Raketenangriff vor einer Woche auf eine US-Militärbasis in Abu Dhabi wurde von den US-Streitkräften zwar abgewehrt. Ein Drohnenangriff der Huthis eine Woche zuvor aber forderte in Abu Dhabi drei Todesopfer.

Das ist besorgniserregend für den erfolgsverwöhnten und superreichen Ölstaat in der Golfregion, dessen Geschäftsmodell es ist, mitten in einer zerrütteten Region eine entspannte Zone für Business und Wellness von Gutbetuchten zu sein.

Drohnen fliegen 2000 Kilometer weit

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Skyline von Abu Dhabi.
Legende: Neuerdings richten Drohnen aus Jemen auch in Abu Dhabi Schaden an. Reuters

In ihrer modernsten Ausführung sind die Drohnen der jemenitischen Huthis offenbar bestückt mit je 20 Kilogramm Sprengstoff und fähig, eine Distanz von 2000 Kilometern zurückzulegen. Das reicht für einen Angriffsflug von der jemenitischen Hauptstadt Sanaa bis ins Zentrum von Abu Dhabi. Die Ölprinzen zu verunsichern, und damit wirtschaftlichen Schaden nach Abu Dhabi und Dubai zu tragen, ist das erklärte Ziel der Huthis.

Schon nach dem ersten Angriff warnte der Militärsprecher der jemenitischen Rebellen, die Emirate und auch die internationalen Firmen dort würden wieder zur Zielscheibe. Warum aber diese plötzliche Eskalation? Zuvor hatten die Huthis mit ihren Drohnen vornehmlich Saudi-Arabien provoziert, das in Jemen die Militärkoalition gegen die Huthis anführt.

Emirate unterstützen Huthi-Gegner

Der Grund dafür, dass sich die Huthis nun plötzlich auch auf die Emirate eingeschossen haben, liegt im südlichen Jemen und der dortigen Kriegsfront. Dort erleiden die Huthis im Kampf gegen ihre Gegner gerade Rückschläge. «Wir haben eine Schlacht gewonnen. So geht das weiter bis zum Sieg», sagt ein Offizier in die Kamera eines Nachrichtenkanals.

Er gehört zu einer Miliz, die von den Vereinigten Arabischen Emiraten hochgerüstet wurde. Sie ist die Speerspitze der Gegenoffensive, die in den vergangenen Wochen im Süden Jemens schnell vorankam.

Die Huthis kontrollieren seit bald acht Jahren die Hauptstadt Sanaa und fast den gesamten Norden Jemens. Letztes Jahr waren die islamistischen Rebellen aus dem Norden am Rand der Provinz Marib und weiter südlich noch auf dem Vormarsch. Das aber sind Gebiete, die über die historische Einflusssphäre der Huthis weit hinausgehen – Gebiete mit anderer Konfession, anderen Stammeszusammenhängen.

Gegner der Huthis im Aufwind

Mit ihrem Vormarsch dorthin haben die Huthis den Bogen offenbar überspannt. Ihre Gegner fanden zu neuer Schlagkraft und die Emirate halfen ihnen dabei. Ob daraus ein grosser Sieg wird, wie sich das der Offizier erhofft, ist allerdings fraglich. Denn die Huthis sind äusserst kampferprobt. Die islamistische Bewegung wirkt so, als lebe sie eigentlich vor allem für den Kampf.

Drohnenangriffe und Bombardierungen

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Leichensäcke in Reih und Glied.
Legende: Dutzende Tote forderte der Angriff der Saudis letzte Woche in Sanaa. Reuters

Der UNO-Sicherheitsrat befasste sich diese Woche einmal mehr mit Jemen. Radhya Al Mutawakel war direkt aus Jemen zugeschaltet. Die Vorsitzende der jemenitischen Menschenrechtsorganisationen Mwatana erinnerte die Weltgemeinschaft dabei eindringlich an den enormen Preis für die Zivilbevölkerung. So bombardierten die Saudis und Emiratis in den letzten Wochen als Vergeltung für die Drohnenangriffe auf Abu Dhabi wieder intensiver Ziele in Jemen, darunter auch solche, die im dicht besiedelten Gebiet liegen.

Bei einem einzelnen Angriff in Saada, in den Stammland der Huthis, wurden mehr als 80 Menschen getötet. Saudi-Arabien versichert nun zwar, man werde diesen Angriff intern untersuchen. Doch schon früher trafen saudische Bomben in Jemen Hochzeiten, Schulen, Spitäler, ohne dass interne Untersuchungen mehr Schonung für die Zivilbevölkerung gebracht hätten.

Aber auch die Huthis stehen am Pranger. Ihnen wird Repression vorgeworfen in den Gebieten, die sie kontrollieren. Auch, dass sie selbst Halbwüchsige als Kämpfer rekrutieren und in grossem Stil Hilfsgüter abzweigen oder Geschäfte für Erpressungen nutzen. Die Weltgemeinschaft müsse aufhören, Waffen an kriegstreibende Staaten zu liefern, so die jemenitische Menschenrechtsaktivistin in ihrem eindringlichen Appell. Oder wenigstens Druck machen, dass keine dicht besiedelten Gebiete mehr bombardiert würden.

«Gefolgsleute Gottes» nennen sich die Huthis selbst. Inzwischen ist eine Generation herangewachsen, die nie etwas anderes als Krieg und Konflikt gekannt hat. Und trotz neuer Energie bleibt die vielstimmige Front der Huthi-Gegner zersplittert und zerstritten.

Das weiss auch UNO-Botschafterin Nusseibeh. Das Ziel sei es, die Huthis militärisch so weit unter Druck zu setzen, dass sie gesprächsbereit würden, sagt sie. Doch ob es gelingt, die Huthis an den Verhandlungstisch zu bomben?

Schon seit sieben Jahren läuft die Militäroffensive unter der Regie der Saudis und Emiratis gegen die Huthis. Erreicht hat sie bis jetzt vor allem, dass die Huthis immer stärker in die Arme Irans getrieben wurden. Dem Land, das die ideologisch und konfessionell verwandten Rebellen aus dem Norden Jemens immer intensiver zu unterstützen begann.

Ein politischer Kompromiss ist noch immer nicht in Sicht. Nur das Leiden geht weiter.

Echo der Zeit, 30.1.2022, 18:00 Uhr

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