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Krieg in der Ukraine Darum bezieht China keine Stellung im Ukraine-Krieg

Es gibt nur wenige Länder, die keine Position bezogen haben im Ukraine-Krieg. Weshalb sich China so schwer damit tut, erklärt SRF-Korrespondent Martin Aldrovandi.

Was ist vorgefallen? In Rom haben sich am Montag der chinesische Aussenpolitiker Yang Jiechi und der nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden, Jake Sullivan, getroffen. Sieben Stunden haben die Gespräche gedauert. Anschliessend sagte Yang, dass er sein Land nicht als Partei im Krieg gegen die Ukraine sehe. Die chinesische Regierung verurteilt Russland auch weiterhin nicht für den Angriff auf die Ukraine, spricht nicht von einer Invasion. «Wir sehen einen Balanceakt Chinas, das versucht, sich weder auf die eine noch auf die andere Seite zu stellen», sagt Martin Aldrovandi, SRF-Korrespondent in Schanghai.

Mitglieder der chinesischen Delegation in Rom
Legende: China hat nach einem Treffen mit den USA erneut bekräftigt, dass es sich nicht als Partei in diesem Krieg sehe (im Bild: Mitglieder der chinesischen Delegation in Rom). Reuters

Weshalb bezieht China keine Stellung? Ein Positionsbezug könnte die Beziehung zu einer der Seiten nachhaltig belasten, wie Aldrovandi erklärt. «Russland ist ein Partner Chinas, vor allem geopolitisch.» Und diese Partnerschaft sei erst kurz vor der Invasion nochmals bekräftigt worden: Zum Auftakt der Olympischen Spiele in Peking, als Putin Xi besuchte. «Die russische Regierung jetzt öffentlich fallenzulassen, würde sich sicher nicht gutmachen.» Diesen Krieg offen zu unterstützen, käme hingegen im Westen nicht gut an. Dazu kommt, so der Korrespondent, dass die Handelsbeziehungen Chinas zum Westen viel bedeutender sind als jene zu Russland. «Man will sicher vermeiden, dass China, wenn es sich mit Russland ins selbe Boot setzt, hinunter gezogen wird.»

Man will sicher vermeiden, dass China, wenn es sich mit Russland ins selbe Boot setzt, hinunter gezogen wird.
Autor: Martin Aldrovandi SRF-Korrespondent, Schanghai

Hinzu komme, so Aldrovandi, dass China seinerseits ständig auf die Souveränität von Staaten poche, auf die sogenannte Nichteinmischung. «Wenn die Regierung jetzt diesen Überfall auf einen souveränen Staat öffentlich unterstützen würde, dann wäre das sehr widersprüchlich.»

Weshalb trägt Peking die Sanktionen nicht mit? Die chinesische Regierung ist, anders als etwa Südkorea, Taiwan oder Japan, gegen Sanktionen gegen Moskau. «Und zwar sehr deutlich», wie der SRF-Korrespondent weiss. «Grundsätzlich ist sie fast immer gegen Sanktionen, bremst diese oder spricht sich direkt gegen Sanktionen aus, auch in anderen Konflikten mit anderen Staaten.» Das gelte auch für Russland, von dem China Rohstoffe wie Öl und Gas beziehe.

Gerüchte über Bitte um Waffenlieferungen

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Angeblich soll Russland China gebeten haben, Waffen zu liefern für den Krieg. Das bestreiten die beiden Länder vehement. Warum diese starke Reaktion, Martin Aldrovandi? «Von chinesischer Seite her war man sicher verärgert darüber, wie die USA das kurz vor dem Treffen in Rom in den Medien platziert hatten. Das war sehr auffällig. Eine solche offizielle Unterstützung einer Kriegspartei würde sich auch nicht vertragen mit dem chinesischen Standpunkt, dass man sich aus dem Konflikt heraushält und zum Dialog aufruft. Für die russische Seite hingegen wäre dies wohl ein Eingeständnis, dass das eigene Militär auf China angewiesen wäre. Und das würde man in Moskau vielleicht auch nicht unbedingt öffentlich zugeben wollen.»

Ist «der Westen» der gemeinsame Feind? Nach aussen bezieht China keine Stellung, doch im Inland wird durchaus Stimmung gegen die Nato gemacht. «Nicht nur gegen die Nato, sondern gegen den Westen allgemein», präzisiert Martin Aldrovandi gegenüber Radio SRF. «Man spürt auch einen starken Antiamerikanismus hier.» Die chinesischen Medien würden über den Krieg in der Ukraine auch ganz anders berichten als westliche Medien. «Während man zwar die russische Regierung und ihre Invasion nicht offiziell unterstützt, so kritisiert man doch den Westen, die USA, die Nato, die für dieses Problem verantwortlich seien.»

Martin Aldrovandi

Südostasien-Korrespondent

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Martin Aldrovandi berichtet seit Frühjahr 2023 als Korrespondent für Radio SRF aus Südostasien. Zuvor war er von 2016 bis Sommer 2022 Korrespondent für Radio SRF in Nordostasien mit Sitz in Schanghai. Davor hatte er mehrere Jahre lang als freier Journalist aus dem chinesischsprachigen Raum berichtet.

Damit hätten China und Russland einen gemeinsamen Gegner, sagt er. «Und so kann man sich auch die Berichterstattung hier erklären.»

SRF 4 News, 15.02.2022, 06:45 Uhr ; 

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