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Krieg in der Ukraine «Dies könnte das Ende der liberalen Weltordnung einläuten»

Die Situation in der Ukraine sei zurzeit völlig surreal, sagt SRF-Korrespondentin Luzia Tschirky, in der SRF-Sondersendung vom Donnerstagabend. Am Morgen hatte sie noch aus der Hauptstadt Kiew berichtet, jetzt befindet sie sich im Westen der Ukraine. Noch sei es ruhig hier, man wisse aber nicht, ob und wann es auch hier losgehe. «Die Lage im Land ist sehr unübersichtlich.»

Es zieht den Menschen den Boden unter den Füssen weg.
Autor: Luzia Tschirky SRF-Korrespondentin in der Ukraine

Das Leben der Menschen in der Ukraine werde auf den Kopf gestellt. «Es zieht ihnen den Boden unter den Füssen weg.» Putin habe die Bevölkerung der Ukraine zu Geiseln gemacht. Dann muss sich die Korrespondentin zurück ins Hotel begeben, die Sperrstunde beginnt.

Militärexperte: «Angriff nach Lehrbuch»

«Was aktuell in der Ukraine geschieht, ist ein Alptraum und ein militärischer Angriff nach Lehrbuch», sagt auch Militärexperte Georg Häsler, Journalist bei der «NZZ». «Wladimir Putin geht mit allen möglichen Kräften von allen Seiten herein.» Ein grosses Fragezeichen sei die Gegenwehr der ukrainischen Armee.

Häsler geht davon aus, dass Putin ein klares Ziel verfolge: Die Zerschlagung des ukrainischen Militärs, bevor das Land militärisch bereit sei, sich zu wehren.

Dies könnte das Ende der liberalen Weltordnung einläuten, wie wir sie bisher gekannt haben.
Autor: Oliver Thränert Center for Security Studies der ETH Zürich

Für die Weltgeschichte ist der 24. Februar schon heute ein historischer Tag: «Dies könnte das Ende der liberalen Weltordnung einläuten, wie wir sie bisher gekannt haben», sagt Oliver Thränert vom Center for Security Studies der ETH Zürich. «Es ist das erste Mal, dass eine mit Atomwaffen ausgerüstete Grossmacht ein Nachbarstaat mit einer grossen militärischen Operation ohne erkennbaren Grund überfallen hat. Mit dem Ziel, den Nachbarn militärisch zu besiegen.» Das sei unter anderem ein klarer Bruch der UNO-Charta. «Wie immer dieser Krieg auch ausgehen wird, wir müssen die europäische Sicherheit neu definieren», sagt Thränert.

«Groteske Begrifflichkeit»

Oliver Thränert spricht von einem fundamentalen Vergehen am Völkerrecht, was Putin da tue: Er sehe die Ukraine als Teil von Russland. «Es ist einfach unvorstellbar, dass jemand negiert, dass es die Ukraine gibt.»

Christof Franzen, ehemaliger Russland-Korrespondent von SRF, ist heute nach Moskau gereist. Er sagt: Die Begrifflichkeit, der sich Russland in Zusammenhang mit der Ukraine bediene, sei mehr als problematisch: «Von Nazis und Faschisten zu reden, ist grotesk und zynisch.» Zumal es sich bei der Ukraine um eine Demokratie mit freien Wahlen handle.

Russen sind in der Kriegsfrage gespalten

Auf die Frage, wie die Menschen in Russland auf den Krieg reagierten, sagt Franzen, die Meinungen seien geteilt. In Russland sei der Krieg eine Art TV-Show mit klarem Schwarz-Weiss-Schema: Die russischen Truppen seien in diesem Verständnis diejenigen, welche das ukrainische Brudervolk von den Faschisten befreiten. Putin habe nach wie vor Umfragewerte von über 50 Prozent. Die Russen schätzten die Aussenpolitik Putins, besonders, wie er sich gegen die USA abgrenzt.

USA wollen nicht militärisch in der Ukraine eingreifen

US-Präsident Joe Biden hat am Donnerstagabend weitere Sanktionen – unter anderem im finanziellen Bereich – gegen Russland angekündigt. Laut USA-Korrespondentin Viviane Manz könne die USA die Ukraine zudem weiterhin finanziell, mit Geheimdienstinformationen oder mit Waffenlieferungen, unterstützen. Die Invasion, so Manz, könne man so aber nicht stoppen. Zudem habe Biden erneut betont, dass er nicht militärisch in der Ukraine eingreifen wolle.

Michael Rauchenstein, SRF-Korrespondent in Brüssel, geht davon aus, dass die Sanktionen einen Einfluss auf Russland haben werden. Man müsse aber auch ehrlich sein: Putin habe sich bisher nicht von Sanktionen beeindrucken lassen. Ob die härteren angekündigten Massnahmen das ändern werden, werde man sehen.

«Bundesrat versucht, es allen recht zu machen»

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Die Schweiz will nach dem russischen Angriff auf die Ukraine die EU-Sanktionen gegen Russland grösstenteils mittragen. Man wolle verhindern, dass die EU-Sanktionen via Schweiz umgangen werden könnten. Das hat der Bundesrat am Donnerstag entschieden. Auf eigene Sanktionen verzichtet die Schweiz vorerst. «Der Bundesrat versucht, es allen recht zu machen», kommentiert Bundeshaus-Korrespondentin Nathalie Christen. Er wolle die EU unterstützen, jedoch auch Russland nicht allzu sehr vor den Kopf stossen. Damit hat sich der Bundesrat aus den Parteien allerdings auch Kritik eingehandelt, hält Christen fest. Lob gibt es für das Vorgehen nur von der SVP.

Militärisch habe das Vorgehen des Bundesrates keinen Einfluss auf die Schweiz, sagt Militärexperte Georg Häsler. Die Schweiz werde aber Teil eines hybriden Krieges werden, welchen Russland führt, dies zum Beispiel im Cyber-Bereich. Zudem muss die Schweiz in Zukunft wohl den Luftraum besser schützen können und die bewaffnete Neutralität werde eine grössere Rolle spielen.

Weil Russland Reserven in Milliardenhöhe habe, könne man finanzielle Sanktionen des Westens zwar kurzfristig verkraften. Langfristig aber seien die finanziellen Sanktionen des Westens zwar Gift für die russische Wirtschaft, sagt dazu Christof Franzen.

«Es wird lange dauern, bis man wieder zu Reparaturarbeiten schreiten kann»

Thränert geht davon aus, dass Putin sich mit seinen Mitteln durchsetzen wird. Die Bande zwischen ihm und der zivilisierten Welt würden zerstört werden. «Es wird dann lange dauern, bis man da wieder zu Reparaturarbeiten schreiten kann». Und: «Wir müssen uns auf Konfrontation einrichten, auf Flüchtlinge und auf Sanktionen, die auch uns etwas kosten.»

SRF-Sondersendung, 24.02.2022, 20:05 Uhr ; 

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