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Krieg in der Ukraine Eine Mobilmachung – mit Folgen an allen Fronten

Der russische Präsident Wladimir Putin geht mit der Teil-Mobilmachung Risiken an allen Fronten ein. Was das soziale Gefüge betrifft, seine Unterstützung und nicht zuletzt die Wirtschaft. Noch gibt es aber Tausende von Männern, die seinem Ruf an die Front folgen.

«Es gibt so einen Beruf: die Heimat verteidigen.» Dieses Zitat aus dem sowjetischen Film «Offiziere» ist in den letzten Tagen oft zu hören. Und zwar bei denjenigen russischen Männern, die dem Aufgebot der Armeeführung Folge leisten und sich beim sogenannten Kriegskommissariat melden.

Oft sind es Reservisten. Sie könnten bald schon an die ukrainische Front geschickt werden, wo bis jetzt vor allem Berufssoldaten, aber auch Rekruten und Freiwillige gekämpft haben.

Aufgebot im Büro erhalten

Wer so schicksalsergeben an die Front geht, glaubt meistens dem Narrativ des Kremls und der staatlichen Propagandisten. Nämlich, dass Russland in der Ukraine angeblich die russischsprachige Bevölkerung befreie und dass man in erster Linie gegen die Nato und den vereinten Westen kämpfe. Kurz: man verteidige Russland in der Ukraine.

Männer in Uniform steigen in Bus.
Legende: Russische Rekruten besteigen einen Bus in der Nähe von Krasnodar. Keystone / AP

Zu ihnen gehört wohl auch der 40-jährige Andrej aus der Kleinstadt Naro-Fominsk an der Zugstrecke Moskau-Kiew. Er hat zwei Kinder und ist stellvertretender Geschäftsleiter in einem modernen Einkaufszentrum. Offenbar ein normales, schönes Leben. Bis letzte Woche auf einmal zwei Männer im Auftrag der Armee ein Aufgebot ins Büro brachten. Er solle sich bei den militärischen Behörden einfinden.

Mann.
Legende: Vom normalen Leben in den Krieg: Der Russe Andrej, Vater von zwei Kindern, muss künftig in der Ukraine kämpfen. SRF

Dort werden dann zuerst einmal die Personalien überprüft, man klärt ab, wie es um die Gesundheit, die Arbeit oder die familiäre Situation steht. Im Falle von Andrej wird dann der Entscheid gefällt: In zwei Tagen einrücken, morgens um 9 Uhr, bei der Kantemirowski Panzerdivision.

Mann und Frau.
Legende: Auch Andrejs Frau wirkt tapfer: Er sei halt ein Mann, und ein solcher müsse das Land verteidigen, wenn es der Staat so fordere. Ihr trauriger Blick scheint aber anderes zu sagen. SRF

Andrej scheint zumindest nach aussen gelassen. «Wenn es sein muss, muss es halt sein», erwidert er auf die Frage nach der Perspektive, dass er sich bald an der ukrainischen Front wiederfinden könnte.

Flucht vor der Rekrutierung

Zehntausende von jungen russischen Männer wollen aber dem Erhalt der Einberufungsformulare zuvorkommen – und ergreifen schon fast panikartig die Flucht. Wer genügend Geld und Glück hat, kauft sich eines der seltenen Flugtickets. Andere fahren mit dem Auto nach Georgien oder überqueren zu Fuss die Grenze nach Kasachstan.

Männer mit Gepäck.
Legende: Nur nicht eingezogen werden: Russische Männer an der Grenze bei Verkhnii Lars, Georgien. Keystone / EPA / Zurab Kurtsikidze

Gerüchten zufolge könnte Präsident Putin in den nächsten Tage das Kriegsrecht ausrufen. Dann sind die Grenzen für die meisten Männer zu.

Schwerwiegende Folgen für die Wirtschaft

Die Mobilmachung wird für Russland unvorhersehbare Folgen haben. Millionen von Russinnen und Russen, die bis jetzt den Krieg in der Ukraine kaum verfolgt haben, ihn ignorierten, verdrängten, sind jetzt direkt damit konfrontiert. Und viele werden jetzt Fragen stellen: Wofür? Warum? Sagen uns Regierung und die Staatsmedien die Wahrheit? Wie sie dann mit den Antworten umgehen – das ist die grosse Unbekannte.

Zudem werden dem russischen Arbeitsmarkt innert kurzem Hunderttausende von Männern entzogen. Diejenigen, die einberufen werden; diejenigen, die das Land verlassen haben und auch diejenigen, die nicht mehr zur Arbeit gehen werden, weil dort der Marschbefehl hinterlegt sein könnte. Das dürfte laut Experten schwerwiegende Folgen für die Wirtschaft haben.

Tagesschau, 27.09.2022, 19:30 Uhr

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