Zum Inhalt springen

Krieg in der Ukraine Psychologische Kriegsführung mit «Putins Bluthunden»

Ihre Loyalität gilt dem Tschetschenenführer Ramsan Kadyrow. Nun sollen die brutalen Kämpfer in der Ukraine agieren.

«Ja, im Krieg wird gestorben, und das war ihre Berufswahl»: Als erster russischer Funktionär überhaupt nannte Tschetscheniens Präsident am Dienstag eine konkrete Zahl an Opfern in der Ukraine. Zwei seiner Männer seien bei Gefechten gegen ukrainische «Nationalisten» getötet, sechs weitere verletzt worden, teilte Ramsan Kadyrow mit.

Kadyrow am 25. Februar in Grosny vor seinen Kämpfern Tschetscheniens Hauptstadt Grosny.
Legende: Kadyrow sprach von einem «Krieg» – der Kreml und russische Medien sprechen dagegen von einer «militärischen Spezialoperation zur Entnazifizierung der Ukraine». Im Bild: Kadyrow am 25. Februar vor seinen Kämpfern in Tschetscheniens Hauptstadt Grosny. Keystone/Archiv

Bereits am letzten Samstag hatte der Kreml-treue tschetschenische Machthaber in einem Video bestätigt, seine Kämpfer in die Ukraine geschickt zu haben. Das erklärte Ziel: der Sturz der Regierung in Kiew. «Präsident Putin hat die richtige Entscheidung getroffen und wir werden seine Befehle unter allen Umständen umsetzen.»

Kadyrow wolle mit dem Einsatz der Truppen seine Loyalität gegenüber dem Kreml unter Beweis stellen, sagt Margarete Klein von der Stiftung für Wissenschaft und Politik in Berlin. «Er spricht davon, dass er bis zu 74'000 Kämpfer rekrutieren könnte», so die Expertin für russische Sicherheitspolitik. Laut dem Kreml-nahen russischen Newssender RT warteten letzten Freitag 12'000 Soldaten auf ihre Verlegung in die Ukraine.

Die ‹Kadyrowzy› sind wegen ihres brutalen Vorgehens gefürchtet. Sie sollen den Widerstand der ukrainischen Streitkräfte und auch der Bevölkerung brechen.
Autor: Margarete Klein Sicherheitsexpertin, Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin

Inzwischen sind Bilder tschetschenischer Kämpfer in der Ukraine in den sozialen Medien aufgetaucht. Sie sollen etwa bei der versuchten Erstürmung des Flugplatzes Hostomel bei Kiew beteiligt gewesen sein. Dabei soll nach ukrainischen Angaben General Magomed Tushayew umgekommen sein. Der berüchtigte Warlord gilt als rechte Hand von Kadyrow.

Kadyrow trägt den zweifelhaften Übernamen «Putins Bluthund». In der autonomen Republik im Süden Russlands regiert er mit eiserner Faust. Er selbst inszeniert sich als kraftstrotzender Kriegsfürst, wahlweise flankiert von Kalaschnikows oder Tigern.

Schreckensregime in Tschetschenien

Box aufklappen Box zuklappen
Ramsan Kadyrow (rechts) 2020 mit Kreml-Chef Wladimir Putin in Moskau.
Legende: Ramsan Kadyrow (rechts) 2020 mit Kreml-Chef Wladimir Putin in Moskau. Imago

Nachdem sein Vater Achmat 2004 getötet wurde, übernahm Ramsan Kadyrow die Präsidentschaft in Tschetschenien. «Mittlerweile haben sich die russischen Sicherheitsdienste weitgehend aus Tschetschenien zurückgezogen. Das Gebiet geniesst unwahrscheinliche Autonomie, weil Ramsan Kadyrow dort russische Ordnung und Kontrolle herstellt», sagt Klein.

Und das mit unzimperlichen Mitteln: Kadyrows Sicherheitsapparat werden Morde, Entführungen und Folter von Andersdenkenden vorgeworfen. Eine Opposition gibt es in Tschetschenien nicht. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch berichtete in der Vergangenheit von der Verfolgung von Homosexuellen: Sie sollen von der Polizei entführt, teils wochenlang festgehalten und gequält worden sein.

Tschetschenische Kämpfer kamen schon 2014 im Krieg im Donbass sowie in Libyen und Syrien zum Einsatz. Formal sind sie der russischen Nationalgarde untergeordnet. «De facto sind sie aber nur dem tschetschenischen Präsidenten gegenüber loyal», erklärt Klein.

Eine Erbe des Vaters

Die «Kadyrowzy» gehen zurück auf die Miliz des Vaters von Ramsan, Achmat Kadyrow. Dieser kämpfte im ersten Tschetschenien-Krieg der 90er-Jahre noch gegen Russland und wechselte dann die Seiten. Anschliessend wurde er vom Kreml mit der Kontrolle über Tschetschenien beauftragt. Seither wurden die «Kadyrowzy» sukzessive zu den Sicherheitskräften der autonomen Republik ausgebaut.

Achmat Kadyrow 2004 mit dem damaligen und heutigen russischen Präsidenten Wladimir Putin.
Legende: In den Tschetschenien-Kriegen suchten Separatisten nach dem Zerfall der Sowjetunion die Unabhängigkeit: Mit der Übergabe der Kontrolle an den Warlord Achmat Kadyrow (im Bild, 2004 mit Putin) habe Moskau versucht, eine «Friedhofsruhe» zu schaffen, sagt Klein. Keystone/Archiv

Bei ihren Auslandseinsätzen seien die Kämpfer dazu da, gezielte, oftmals gefährliche und blutige Operationen durchzuführen, so die deutsche Sicherheitsexpertin. «Es wird auch berichtet, dass sie führende ukrainische Politiker verhaften und eventuell töten sollen.»

Russische Einschüchterungstaktik

Schliesslich seien sie auch ein Element der psychologischen Kriegsführung. «Sie sind wegen ihres brutalen Vorgehens gefürchtet. Sie sollen den Widerstand der ukrainischen Streitkräfte und auch der Bevölkerung brechen.»

Kadyrows Truppen am 25. Februar in Grosny.
Legende: Innerhalb Tschetscheniens gibt es faktisch keine Opposition mehr. Kadyrows politische Gegner leben im Exil, zudem haben sich islamistische Kämpfer Dschihadisten in Syrien und auch in Libyen angeschlossen. Im Bild: Kadyrows Truppen am 25. Februar in Grosny. Imago

Die Männer entstammen, wie Klein ausführt, einer bitterarmen Region mit jahrzehntelanger Kriegserfahrung. «Das unwahrscheinlich brutale, repressive System bietet den ‹Kadyrowzy› eine gute Einkunftsmöglichkeit. Sie haben einen sehr starken Korpsgeist, sind persönlich auf den Präsidenten eingeschworen und haben eine lange Geschichte der Gewalterfahrung.»

Allein schon ihre Präsenz in der Ukraine soll laut der Sicherheitsexpertin dafür sorgen, dass die Kampfmoral der ukrainischen Truppen geschwächt wird. «Ein mögliches Szenario wäre, dass sie auch dazu eingesetzt werden, die Zivilbevölkerung brutal niederzuschlagen.»

SRF 4 News, 04.03.2022, 7:45 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel