Zum Inhalt springen

Krieg in der Ukraine So sollen Geflüchtete gerecht auf die Kantone verteilt werden

Ab Montag können Menschen aus der Ukraine nicht mehr frei wählen, wohin sie in der Schweiz wollen. Sie werden nach dem geltenden Verteilschlüssel auf die Kantone verteilt. Bisher war es so, dass einige Kantone weit mehr Geflüchtete aufgenommen haben, als sie dies auf Grund des Verteilschlüssels hätten tun müssen.

Gaby Szöllösy, Generalsekretärin der Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und -direktoren (SODK), erklärt, warum es die Neuregelung braucht.

Gaby Szöllösy

Generalsekretärin SODK

Personen-Box aufklappen Personen-Box zuklappen

Gaby Szöllösy (geb. 1966) ist Generalsekretärin der Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und -direktoren (SODK). Zuvor war sie unter anderem Kommunikationschefin beim Staatssekretariat für Migration (SEM) und viele Jahre als Journalistin für diverse Schweizer Medienhäuser tätig.

SRF News: Warum ist es in Ihrem Sinn, dass ukrainische Geflüchtete ab kommender Woche nach dem regulären Verteilschlüssel an die Kantone zugewiesen werden? 

Gaby Szöllösy: Es hat sich gezeigt, dass es zu grossen Problemen führt, wenn der Verteilschlüssel nicht berücksichtigt wird. In belasteten Kantone, gerade in den urbanen Zentren, gibt es weniger Leerwohnungsstand. Dort hat man mehr Probleme, leere Wohnungen und Gruppenunterkünfte zu finden. Es geht nicht nur darum, dass die Menschen ein Dach über dem Kopf haben. Es geht auch um Folgeaufgaben wie die Einschulung, medizinische Versorgung und Existenzsicherung.

Ukrainische Flüchtlinge in Kandersteg/BE.
Legende: Der Verteilschlüssel besagt, dass die Geflüchteten entsprechend der Bevölkerungszahl auf die Kantone verteilt werden müssen. Vor allem Deutschschweizer Kantone mit grossen Städten wie Basel, Bern und Zürich, aber auch das Tessin haben besonders viele ukrainische Geflüchtete aufgenommen. Keystone

Die Kantone, die überproportional viele Menschen aufgenommen haben, waren auf vielen Ebenen mit Problemen konfrontiert. Zudem haben sie auch deutlich höhere Ausgaben. Das kann über längere Zeit kein Zustand sein. Die Aufgabe der Unterbringung von Menschen im Asylbereich ist solidarisch zu tragen von der Gemeinschaft der Kantone.

Seit März kommen Geflüchtete aus der Ukraine in die Schweiz. Rund 31'500 Personen haben mittlerweile den Schutzstatus S erhalten. Zu Beginn wurden die Menschen aber noch nicht nach dem regulären Verteilschlüssel entsprechend der Bevölkerungszahl verteilt. Wäre es aus Ihrer Sicht sinnvoller gewesen, dies von Anfang an zu tun?

Im Nachhinein ist man immer schlauer. Aber wir standen damals vor einer grossen Ungewissheit. Wir wussten nicht, ob 30'000, 40'000 oder 50'000 Menschen pro Monat kommen würden. Unter diesem Eindruck wollte man alle Möglichkeiten nutzen. Das Staatssekretariat für Migration (SEM) hat Geflüchteten, die angaben, schon eine Privatunterkunft zu haben, gesagt, dass sie dort bleiben können. Sie wurden dann dem entsprechenden Kanton zugeteilt.

Die Aufgabe der Unterbringung von Menschen im Asylbereich ist solidarisch zu tragen von der Gemeinschaft der Kantone.

Damals wollte man auch die immense Solidarität der Bevölkerung wertschätzen und nicht durch irgendwelche Verteilschlüssel verhindern. Rückblickend kann man sagen, dass es besser gewesen wäre, das Prinzip von Anfang an durchzusetzen. Aber jetzt gilt es, vorwärts zu schauen.

Einige Kantone sind bereits ausgelastet, andere haben erst wenige Geflüchtete aufgenommen. Wie lange dauert es, bis die Verteilung auf die Kantone nach dem Verteilschlüssel erfolgt ist?

Ich kann nur Mutmassungen anstellen, die sich auf die Zahlen des SEM stützen. Es gibt Menschen, die ankamen und direkt eine Privatunterkunft hatten. Diese hat man auf den Kanton verteilt, in dem diese Unterkunft war. Daneben gab es die Menschen, die keine Unterkunft hatten und frei auf die Kantone verteilt werden konnten. Wenn man den Ausgleich zwischen den Kantonen nur mit letzteren schaffen will, dauert es zu lange.

Bei guter Begründung sehen wir für die private Aufnahme von Geflüchteten noch gewisse Ausnahmen vor (auch wenn sich diese in einem Kanton mit überproportional vielen Geflüchteten befinden, Anm. d. Red). Man wird etwa weiterhin dem Kanton zugeteilt, in dem die Kernfamilie wohnt. Mit dem Mittelweg, den wir jetzt einschlagen, dürften die Unterschiede zwischen den Kantonen in drei Monaten ausgeglichen werden.

Das Gespräch führte Nina Gygax.

SRF 4 News, 22.04.2022, 8:45 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel