Millionen Tonnen an Getreide sind in der Ukraine blockiert. Der Krieg hat den Export über die Schwarzmeerhäfen verunmöglicht. Diese Woche sollen sich die Ukraine und Russland zu Verhandlungen in der Türkei treffen. Nächste Woche dürfte die Getreideblockade auch Thema an der Ukraine-Konferenz in Lugano sein. Wie die Ausgangslage vor diesen beiden Treffen ist, weiss Josef Schmidhuber von der FAO.
SRF News: Falls die Schwarzmeerhäfen geschlossen bleiben, was gibt es für Alternativen für den Export von ukrainischem Getreide?
Josef Schmidhuber: Es geht zum einen über die Donau. Dort ist die Kapazität aber relativ begrenzt. Das Getreide kann nur auf kleineren Schiffen abtransportiert werden. Das bedeutet für den internationalen Export, dass diese noch einmal umgeladen werden müssen. Im Augenblick stauen sich aber, trotz dieser erhöhten Kosten durch das Umladen, um die 100 Schiffe am Eingang zur Verbindung zur Donau.
Exporte über die Schiene sind sicherlich die vielversprechendste Alternative.
Und die müssen jetzt abgewickelt werden. Gleichzeitig versucht man, Exporte über die Schiene voranzutreiben. Das geht insbesondere über drei Routen; das Baltikum, Polen mit Danzig und Deutschland mit Hamburg und Rostock als grosse Überseehäfen. Das ist sicherlich die vielversprechendste Alternative. Das Problem ist: Wie bekommt man die unterschiedlichen Schienenbreiten zwischen dem ukrainischen und dem europäischen System in den Griff? Momentan besteht die Absicht, als Puffer einfache Silos an der polnischen Grenze zu bauen. Man würde das Getreide in diese Silos füllen und es von dort wieder abtransportieren.
Die Getreidepreise sind massiv gestiegen, obwohl es global gesehen gar keinen grossen Mangel gibt. Wer spekuliert da eigentlich?
Ich denke nicht unbedingt, dass die Spekulation im klassischen Sinne sehr wichtig ist. Ich weiss, dass viele Beobachter davon ausgehen, dass die grossen Hedgefonds sehr viel Geld in die Hand nehmen, um diese Preise nach oben oder unten zu bringen. Ich bin da eher vorsichtig.
Die Importeure sitzen auf relativ hohen Vorräten, insbesondere bei Weizen, aber auch bei Reis.
Aber wir wissen natürlich nicht, wie sich die nächste Ernte gestalten wird. Und das kann zum Problem werden. Im Augenblick sind die Düngemittelpreise sehr hoch. Es gibt eine echte Düngemittelknappheit, sodass es durchaus dazu kommen kann, dass die nächste Ernte geringer ausfallen wird und das Problem vielleicht wirklich akut wird in einem Jahr.
Sind die Preise gestiegen, weil einzelne Staaten ihre Vorräte horten?
Ja, die Importeure sitzen auf relativ hohen Vorräten, insbesondere bei Weizen, aber auch bei Reis. So passiert relativ wenig auf dem Weltmarkt.
Wer sind die grossen Importeure, die darauf sitzen?
Der allergrösste Importeur an Agrarprodukten ist China. Was den Getreidemarkt anbelangt, sind es Länder wie Ägypten, Türkei, Iran und Indonesien. Das sind grosse Getreideimporteure.
Es soll ein Treffen der Konfliktparteien in der Türkei geben. Es geht auch um die Schwarzmeerhäfen. Was erwarten Sie davon?
Es ist sehr schwer einzuschätzen. Wir hoffen, dass es zu einer Lösung kommt, dass die grossen Häfen aufgemacht werden können und dass dann Getreide rausgeht. Das wäre natürlich auch finanziell sehr attraktiv für die Ukraine und ganz wichtig für die dortige Landwirtschaft.
Wenn diese 25 Millionen Tonnen jetzt nicht verkauft werden können, hat das natürlich Auswirkungen.
Diese ist ja auch zum Teil kreditfinanziert. Und wenn diese 25 Millionen Tonnen jetzt nicht verkauft werden können, hat das natürlich Auswirkungen. Nicht nur auf die Weltmärkte und die globale Ernährungssicherheit, sondern auch auf die Produzenten in der Ukraine und damit auch langfristig auf die Getreideproduktion.
Das Gespräch führte Peter Voegeli.