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Kriminalität in Südafrika Immigranten-Familien fürchten Entführungen ihrer Kinder

In Südafrika wurden 2022 monatlich tausend Menschen entführt. So viele wie noch nie. Darunter sind immer mehr Kinder.

Aslam Dekhta fehlen die Worte, zu beschreiben, wie er sich fühlte, als seine achtjährige Tochter Abirah auf dem Weg zur Schule aus dem Auto gerissen und verschleppt worden ist. «Mein Gehirn war leer, ich konnte gar nichts mehr denken. Die elf Tage, bis die Polizei Abirah finden konnte, waren der blanke Horror», sagt der Geschäftsmann, der 2010 von Indien nach Südafrika emigrierte.

Dekhta lebt in einem Township bei Kapstadt. Nicht in einer Hütte, sondern einem stattlichen Haus. Wie viele Pakistani und Bangladeshi verdient er nicht schlecht mit dem Verkauf von Handys und den Ersatzteilen dazu.

Ein Bild einer Einkaufsstrasse, wo zwei Läden nebeneinander stehen. Die Läden sind bunt angemalt.
Legende: Diese Geschäfte in den Townships Südafrikas gehören meistens Ausländern. SRF/Cristina Karrer

Diese Gruppe von Menschen ist mittlerweile besonders im Visier von organisierten Banden. Denn es ist bekannt, dass sie häufig Bargeld haben, um gemeinsam en gros einkaufen zu können. Aslam Dekhta hatte Glück im Unglück, das verlangte Lösegeld von mehr als einer Million Franken musste er nicht zahlen, da die Polizei die Entführer in einem benachbarten Township festnehmen konnte.

Paradies für organisiertes Verbrechen

«Die meisten jedoch haben kein Glück», sagt Chad Thomas, ein anerkannter Experte für organisiertes Verbrechen. «Die meisten Entführungen werden gar nicht gemeldet. Die Familien der Opfer haben Angst und leben nicht etwa in den vornehmen Quartieren, sondern in den Townships. Heute müssen alle Angst um ihre Kinder haben.»

Thomas, der die Entwicklung des organisierten Verbrechens seit Jahrzehnten verfolgt, stellt fest, dass sich Gangster heute in Südafrika richtig wohlfühlen. «Südafrika ist ein Paradies für organisiertes Verbrechen, wir sehen, wie hier etliche internationale Syndikate in aller Ruhe gemeinsam ihren Geschäften nachgehen.»

Freiwillige springen für Sicherheit ein

Für die Menschen bedeutet das ein Leben in ständiger Angst. Allein in den Townships rund um Kapstadt sind in drei Monaten elf Kinder entführt worden – alles Kinder von Immigranten und Immigrantinnen. Fauzia Veerasamy gibt als eine von vielen freiwilligen Quartierwächterinnen alles, um das zu verhindern.

Porträtbild einer Frau auf der Strasse. Sie trägt eine pinkes Kopftuch.
Legende: Fauzia Veerasamy versucht als Quartierwächterin, Kindesentführungen zu verhindern. SRF/Cristina Karrer

Die Entführung der achtjährigen Abirah geschah vor ihrem Haus. Doch kam Veerasamy zu spät, sie konnte nur noch die Polizei und den Kinderschutz benachrichtigen. «Wir Mütter wissen nicht mehr, was tun. Verbieten wir unseren Kindern, auf der Strasse zu spielen? Wie sensibilisiert man ein Kind auf eine solche Gefahr?»

Die Quartierwächterin ist wütend. «Ja, wir kriegen Überwachungskameras, und bald sollen Drohnen eingesetzt werden. Doch mehr macht der Staat nicht. Und die Gangster werden immer dreister.»

Experte Chad Thomas pflichtet ihr bei. Die politische Elite sei vor allem an ihrer eigenen Bereicherung interessiert. «Die Sicherheit der Bevölkerung ist nicht im Fokus. Das zeigt allein die Tatsache, dass das Budget für den Schutz von VIPs und Ministern grösser ist als jenes für die Spezialeinheit, die gezielt organisiertes Verbrechen bekämpft.»

Tagesschau, 25.12.2022, 19:30 Uhr

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