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Kriminelle Gruppen In Japan sind die Tokuryu auf dem Vormarsch

Die neue kriminelle Gruppe der Tokuryu verunsichert die Menschen in Japan. Das sind die wichtigsten Fakten dazu.

Darum geht es: In Japan kämpft die Polizei zurzeit gegen eine neue kriminelle Bedrohung an: die Tokuryu. Diese Gruppen sollen angeblich auf dem Vormarsch sein und die japanische Mafia – auch Yakuza genannt – ablösen.

Polizisten stehen hinter einem mit gelbem Band abgesperrten Gebiet.
Legende: Die Polizei kämpft in Japan gegen die kriminelle Bedrohung der Tokuryu an. Reuters/Kyodo

Das bedeutet der Begriff «Tokuryu»: Der Begriff wird aus zwei japanischen Wörtern zusammengesetzt: «tokumei» und «ryudo» – zu Deutsch «anonym» und «fliessend». Das bezieht sich auf die Eigenheiten dieser Halbgangster, nämlich dass sie nicht als feste Bande operieren. Sie organisieren sich kurzfristig über das Darknet für einzelne Straftaten und schliessen sich nur vorübergehend zusammen. Häufig kannten sie sich vorher nicht – und danach gehen sie wieder auseinander.

Das sind die Mitglieder: «Bei den Mitgliedern der Tokuryu handelt es sich fast ausschliesslich um junge Männer, die arbeitslos und arm sind oder diskriminiert werden», sagt Martin Fritz, freier Journalist in Tokio. In sozialen Medien würden sie damit prahlen, dass sie sich nur für Geld, Alkohol und Frauen interessierten. «Sie stehen als Auftragsverbrecher bereit. Vor einem Jahr zum Beispiel rekrutierte ein Auftraggeber 16- bis 19-Jährige über eine Anzeige im Darknet. Anschliessend haben sie für ihn ein Juweliergeschäft mitten in Tokio überfallen.» Der Auftraggeber sei bis heute unbekannt, meint Fritz.

Tokuryu in Zahlen

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Nach Angaben der Nationalen Polizeibehörde (NPA) werden mehr als 10'000 Personen, die zwischen September 2021 und Februar 2023 festgenommen wurden, als Tokuryu eingestuft.

Unterschied zur Yakuza: Die Yakuza sind klassische Verbrecherbanden. Im Westen sind diese besonders durch japanische Gangsterfilme bekannt. Es handelt sich dabei um organisierte Banden mit einer hierarchischen Struktur und einem Sozialkodex. Dieser besagt, dass Yakuza-Verbrechen keine Leute aus der restlichen Gesellschaft betreffen sollten. Die Tokuryu hingegen sind nicht organisiert: «Das sind unabhängige Einzelunternehmer, die zu jeder Schandtat bereit sind», sagt Fritz. Ob bei Raubüberfällen oder Einbrüchen, eine «Moral» sei nicht vorhanden. «Genau deswegen ist die Polizei so alarmiert. Die Bürger fühlen sich weniger sicher.»

Organisation der Yakuza

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Die Organisation der Yakuza gleicht einer patriarchal-strukturierten Familie, deren Boss als Vater bezeichnet wird. Es gilt, sich unter den Mitgliedern gegenseitig Männlichkeit zu beweisen, beispielsweise mit grossflächigen Tattoos und abgehackten Fingergliedern. Mit diesen Zeichen drücken die Mitglieder ihre Loyalität gegenüber dem Boss aus.

Die Yakuza im Niedergang: Die Zahl der Mitglieder der traditionellen Yakuza ist von etwa 100'000 Mitgliedern in den letzten dreissig Jahren auf etwa 20'000 geschrumpft. «Das liegt an den Anti-Yakuza-Gesetzen und -Verordnungen. Ein Bandenmitglied kann heute keine Wohnung mehr mieten, kein Bankkonto eröffnen, nicht einmal einen Mobiltelefonvertrag abschliessen», meint Fritz. Zudem erhielten halblegale Yakuza-Firmen, beispielsweise Bauunternehmen, keine Aufträge mehr. «Junge Leute im Verbrechermilieu werden deshalb nicht mehr Mitglied der Yakuza, sondern verdingen sich als unabhängige Halbgangster.» Die Yakuza verschwinden gemäss Fritz aber nicht ganz. Oft seien es nämlich Yakuza-Mitglieder, die dann diese neuen Halbgangster mit Straftaten beauftragten. Die Polizei spreche dann von Hybridverbrechen.

Die Kriminalitätsrate Japans

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In Japan gibt es nur 0.2 Morde pro 100'000 Einwohnerinnen und Einwohner (Stand 2021). Zum Vergleich: in der Schweiz sind es 0.5 Morde (Stand 2022).

«In Japan besitzt niemand eine Schusswaffe. Auch Drogen- und Eigentumsdelikte sind in Japan seltener als in der Schweiz», sagt Martin Fritz. Er vermutet, dass der Hauptgrund dafür drakonische Strafen seien, mit denen die Delikte bestraft würden. Aber: «Nachdem die Kriminalitätsraten in Japan über Jahrzehnte gefallen sind, geht der Trend seit zwei Jahren ziemlich stark nach oben. Letztes Jahr allein um 17 Prozent, trotz der alternden und schrumpfenden Bevölkerung», sagt Fritz gegenüber SRF. Die Polizei sehe das Phänomen der skrupellosen Tokuryu-Halbgangster als eine der Ursachen.

Das unternimmt die Polizei dagegen: Die Nationale Polizeibehörde (NPA) hat im April mit 500 Ermittlern in sieben Präfekturen – Tokyo, Saitama, Chiba, Kanagawa, Aichi, Osaka und Fukuoka – eine gemeinsame Ermittlungseinheit eingerichtet. Auch die japanische Regierung hat mittlerweile reagiert. Im März 2023 hatte Premierminister Fumio Kishida ein hartes Vorgehen gegen diese Art von Verbrechen angeordnet. Die Identifizierung der Drahtzieher dieser Verbrechen erweist sich jedoch als schwierig. Der technologische Fortschritt und die Verwendung von Wegwerftelefonen und -nummern ermöglicht es ihnen, anonym zu bleiben.

SRF 4 News, 10.05.2024, 16:49 Uhr ; 

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