- Die Bürgerinnen und Bürger des westafrikanischen Krisenstaates Mali haben unter strengen Sicherheitsvorkehrungen einen neuen Präsidenten gewählt.
- Bewaffnete griffen am Wahltag mehrere Stimmbüros an, auch ein UN-Stützpunkt geriet unter Beschuss.
- Die ersten Ergebnisse werden 48 Stunden nach Schliessung der Wahllokale erwartet, ein amtliches Ergebnis soll am 3. August vorliegen.
Es zeichnete sich eine geringe Wahlbeteiligung ab. Beobachtern zufolge lag dies wohl auch an der Angst der Bürger vor Anschlägen islamistischer Terrorgruppen auf Wahllokale.
Die rund acht Millionen Wahlberechtigten konnten sich zwischen 24 Kandidaten entscheiden. Die grössten Chancen wurden dem amtierenden Staatschef Ibrahim Boubacar Keïta (73) zugerechnet, der sich um eine zweite Amtszeit bewirbt. Sein wichtigster Herausforderer, Oppositionsführer Soumaïla Cissé (68), könnte sich jedoch nach Meinung von Experten genügend Stimmen sichern, um eine Stichwahl nötig zu machen. Diese würde am 12. August stattfinden.
Politiker meiden Sahara-Städte
Mali wirkt oft wie ein zweigeteiltes Land: Die grosse Mehrheit der Bevölkerung samt Politiker leben in der Hauptstadt Bamako und in den fruchtbareren südlichen Regionen, die Probleme der Sahelzone sind für sie weit weg. Nur selten trauen sich Politiker in die Sahara-Städte des Nordens, etwa nach Timbuktu oder Kidal. Im quirligen Bamako indes erinnern meist nur UNO-Fahrzeuge und enorme Sicherheitsvorkehrungen vor Regierungsgebäuden und Hotels an den Konflikt im Norden.
Für die Sahelzone habe Mali eine zentrale Bedeutung und auch für Europa, erklärte Jan Fahlbusch, Leiter Politik der Welthungerhilfe. «Ohne staatlichen Wiederaufbau und tiefgreifende Reformen insbesondere von Militär, Polizei und Justiz droht der malische Staat seine Handlungsfähigkeit weiter zu verlieren», so Fahlbusch. Die ungelösten Konflikte gefährdeten auch die Bekämpfung des Hungers.
Humanitäre Lage weiter verschlechtert
Auch die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) warnte, dass sich die humanitäre Lage in Mali wegen der Konflikte und einer Dürre weiter verschlechtert habe. Der Mangel an Sicherheit im Norden und im Zentrum habe selbst die grundlegendste Versorgung der Bevölkerung zum Stillstand gebracht, erklärte MSF-Experte Jamal Mrrouch.
Stabilität in Mali zu erreichen, ist auch für den europäischen Kontinent wichtig: Zum einen ist der Staat ein Transitland für Migranten, zum anderen wäre der Norden bei einem Staatszerfall das perfekte Rückzugsgebiet für radikale Islamisten aller Art – und das nur eine Landesgrenze vom Mittelmeer entfernt.
2012 übernahmen mit Al-Kaida verbundene Islamisten in Folge eines Tuareg-Aufstands die Macht im Norden des Landes. Erst durch eine französische Militärintervention 2013 wurden die Islamisten zurückgedrängt.
Glaubwürdige Wahl unwahrscheinlich
Doch im Zentrum und im Norden des Landes – ein Gebiet etwa von der doppelten Fläche Deutschlands – kontrollieren die Islamisten wieder weite Landstriche. Dort wird nur eine Minderheit der Menschen abstimmen, was eine glaubwürdige Wahl unwahrscheinlich macht, wie die Experten der Denkfabrik International Crisis Group (ICG) erklären.
«Die Islamisten nutzen sehr geschickt die verbreitete und tiefsitzende Unzufriedenheit mit dem Staat aus, besonders im Bereich Korruption, fehlende staatliche Versorgung und Mangel an Sicherheit», erklärt Corinne Dufka, Westafrika-Expertin bei Human Rights Watch.
Unter den Flüchtlingen, die derzeit über das Mittelmeer kommen und vermehrt an Spaniens Küsten stranden, gehören auch besonders viele Bürger Malis. Speziell in den vergangenen Wochen schnellte die Zahl der Flüchtlinge auf dieser Route insgesamt von rund 50 auf fast 220 am Tag hoch, berichtet die Grenzschutzagentur Frontex. Damit kamen auf diesem westlichen Mittelmeer-Abschnitt im Vergleich zum Vorjahreszeitraum fast drei Mal mehr Migranten an.
Wir müssen Mali dringend retten
Die Opposition erhofft sich von der Wahl einen Kurswechsel hin zu mehr Stabilität. «Die Unsicherheit ist die grösste Sorge der Malier», sagt der Präsidentschaftskandidat Aliou Boubacar Diallo, ein reicher Geschäftsmann. Keita sei im Bereich der Sicherheit «voll und ganz gescheitert», klagt Diallo, dessen Wahlkampfkonvoi kürzlich nördlich der Hauptstadt Bamako unter den Beschuss von Angreifern kam.
Und der langjährige Oppositionspolitiker Soumeila Cissé bringt es auf den Punkt: «Wir müssen Mali dringend retten.»