Frankreichs Staatsbahn hat mit Paris Nord Grosses vor. Sie will das historische Bahnhofsgebäude aus dem 19. Jahrhundert durch moderne Anbauten ergänzen und die Nutzfläche um rund 50'000 Quadratmeter – umgerechnet rund sieben Fussballfelder – vergrössern. Geplant sind jedoch nicht neue Perrons. Das Herzstück der Erweiterung ist ein Shoppingcenter.
Dieses wird beinahe die Hälfte des zusätzlichen Raumes einnehmen. Die SNCF hat sich dazu den Grossverteiler Auchan an Bord geholt, der einen Grossteil der Baukosten von rund 600 Millionen Euro übernehmen und das Center betreiben soll. Für Kévin Quéhen, Generalsekretär der CGT Paris Nord, ist das Bauprojekt eine Folge der beschlossenen Privatisierung der Bahn.
Lange Wartezeiten an wenigen Schaltern
Das Ziel der SNCF sei es, so viel Profit zu machen wie möglich. Um Verbesserungen im Betriebsablauf der Bahnhöfe gehe es dagegen nicht, kritisiert Quéhen. Die SNCF spare laufend bei der Infrastruktur und schliesse Schalter. Die SNCF müsse ihre Sparpolitik ändern, darum demonstriere er.
Quéhen steht mit rund 100 Frauen und Männern am Hauptplatz vor dem Bahnhof. Sie sei extra aus Lille angereist, weil Paris Nord ein nationales Problem aufzeige, sagt eine Schalterbeamtin. Sie leide als Verkäuferin ebenso wie die Kunden, die zwei Stunden für ein Billett anstehen müssten.
Ausbau verbessert Verkehrsströme nicht
Die Bahn will den Verkauf ins Internet auslagern, aber die Applikationen funktionieren oft nicht und nicht alle Leute kennen sich damit aus. «Es wird für uns immer schwieriger, den Kunden zu helfen», sagt sie. Man müsse den Bahnhof Paris Nord verbessern, sagt Gewerkschaftssekretär Quéhen.
Aber das Projekt von SNCF und Auchan gehe in die falsche Richtung. Wenn es einfacher sei, an einem Bahnhof Geschirr zu kaufen als ein Bahnticket, sei dies eine verkehrte Welt. Man müsse die Verkehrsströme im Bahnhof besser organisieren. Aber das Projekt Gare du Nord 2024 wolle das Gegenteil.
Der direkte Zugang zu den Perrons aus der Halle würde geschlossen, so Quéhen. Passagiere würden stattdessen durch Galerien und Ladenpassage geführt. Aber nicht nur die Gewerkschaft kritisiert den Ausbau des Bahnhofs.
Jean Nouvel schlägt sich auf Seite der Gegner
Auch eine Gruppe aus prominenten Architekten wie Jean Nouvel, Städteplanern und Kunsthistorikern kritisieren das Projekt. Es zerstöre ein historisches Baudenkmal, schreiben sie in einem offenen Brief in der Zeitung «Le Monde». Paris Nord sei «der schönste der sechs mythischen Bahnhöfe von Paris». Das Projekt sei zudem ein «städteplanerischer Irrtum».
Dem Quartier um die beiden Bahnhöfe Gare du Nord und Gare de l'Est bringe es zusätzlichen Einkaufsverkehr, obwohl es bereits heute stark belastet sei.
Jetzt ein solches Projekt zu bewilligen, wäre ein historischer Fehler.
Ähnlich argumentierte im Fernsehen Alexandra Cordebard, die Stadtpräsidentin des betroffenen Arrondissements. «Hier entstehen Läden und Restaurants, die Verkehr auslösen, Energie verbrauchen und Abfälle produzieren. Jetzt ein solches Projekt zu bewilligen, wäre ein historischer Fehler.» Auch die Stadtregierung von Paris verlangt, dass das Projekt überarbeitet und verkleinert wird. Doch das liegt nicht in ihrer Kompetenz.
Und die SNCF verweigert auf Anfrage eine Stellungnahme. Das Projekt werde zurzeit geprüft. Man solle sich wieder melden, wenn die Baubewilligung eingetroffen sei. Die Staatsbahn scheint also optimistisch.