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Künftige Ziele im Cyber-Krieg? Tiefseekabel – sehr verletzlich und wie geschaffen für Sabotage

Seekabel transportieren 95 Prozent der globalen Daten. Geschützt sind diese Lebensadern der Weltwirtschaft aber nicht.

Jährlich kommt es zu 100 bis 200 unbeabsichtigten Beschädigungen von Tiefseekabeln, sei es durch Erdbeben auf dem Meeresgrund, Schleppnetze von Fischern und mitunter auch durch Haie. Militärs und Sicherheitsfachleute warnen zunehmend auch vor Sabotage oder dem Abhören von Seekabeln.

Für Sir Stuart Peach, den früheren britischen Luftwaffenmarschall und bis vor kurzem Vorsitzenden des Nato-Militärausschusses, ist klar: «Würden solche Kabel unterbrochen oder gar durchtrennt, hätte das unverzüglich katastrophale Folgen in wirtschaftlicher Hinsicht und für viele Bereiche des Lebens.»

Würden solche Kabel unterbrochen, hätte das katastrophale Folgen für viele Bereiche des Lebens.»
Autor: Sir Stuart Peach Ehemaliger Vorsitzender im Nato-Militärausschuss

Es passiere viel in den Tiefen der Ozeane, von dem wir nichts wüssten, erklärt US-Vizeadmiral Andrew Lewis. Schon heisst es, der Krieg der Zukunft dürfte sich auch auf dem Meeresgrund abspielen. Besonders die Russen täten dort «schlimme Dinge».

Im Westen mehrten sich solche Hinweise, bestätigt der deutsche Sicherheitsexperte Oliver Rolofs, der lange für die Münchner Sicherheitskonferenz tätig war: «Die Nato beobachtete, dass sich russische U-Boote in letzter Zeit auffällig nah an Unterseekabeln zwischen Europa und den USA bewegten.» Doch auch die westlichen Geheimdienste seien nicht untätig.

Dringend: Schutz der Tiefseekabel

Das Augenmerk müsste endlich dem Schutz der Tiefseekabel gelten, fordert Rolofs: «Sie sind die Lebensadern der globalen Gesellschaft und das Rückgrat der Weltwirtschaft.»

Die weltweit gut 400 Tiefseekabel mit einer Gesamtlänge von 1,3 Millionen Kilometern seien im Internetzeitalter schlicht unverzichtbar, unterstreicht auch Professor Trevor Taylor von der britischen Sicherheits-Denkfabrik RUSI: Je höher die Spannungen zwischen den grossen Mächten, umso grösser die Gefahr, dass in einem Konflikt zu sämtlichen Mitteln gegriffen werde.

Je höher die Spannungen zwischen den grossen Mächten, umso grösser die Gefahr, dass zu sämtlichen Mitteln gegriffen wird.
Autor: Trevor Taylor Professor, Royal United Services Institute RUSI

Enorm viele militärische und regierungsamtliche Informationen laufen über diese Kabel, ganz abgesehen von den gigantischen Datenmengen, die Firmen wie Google, Microsoft oder Facebook übermitteln.

Sabotageakte

Rolofs befürchtet, dass sich der laufende Cyber-Krieg auch einmal unter Wasser ausbreitet – mit der Sabotage von Seekabeln: «Wer die Macht über die Seekabel hat, kann seine Nachbarn disziplinieren oder drangsalieren», erklärt er und erinnert an die Verhältnisse im Ostchinesischen Meer. China etwa könnte problemlos Taiwan oder Japan weitgehend vom weltweiten Datenverkehr abnabeln.

Der Schutz von Tiefseekabeln ist allerdings schwierig, unter Wasser und auch wo sie das Land erreichen. Ein umfassender Schutz würde enorme Investitionen in die Überwachung, U-Boote und Fregatten nach sich ziehen.

«Die Nato hat ein neues Streitkräftekommando für den Atlantik jüngst für einsatzfähig erklärt, das einen besseren Schutz der Transport- und Kommunikationswege gewährleisten soll. Hierfür braucht es aber auch die notwendige Flotte», so Rolofs. Grossbritannien stellt inzwischen ein Kriegsschiff speziell für den Schutz der Seekabel. Die übrigen europäischen Länder bisher nicht.

Völkerrechtliche Lösung?

Billiger und vielleicht erfolgversprechend wäre der diplomatische Weg. Indem etwa im Völkerrecht Schutzzonen für Seekabel ausgewiesen und diese als kritische Infrastruktur definiert würden, wie Rolofs sagt.

Wir sollten vielleicht auch das Völkerrecht anpacken, indem wir explizit Schutzzonen für Seekabel ausweisen.
Autor: Oliver Rolofs Sicherheitsexperte

Taylor schlägt eine Art internationales Rüstungskontrollabkommen, welches das Sabotieren und Abhören von Seekabeln zum Tabu erklärt. Interesse daran müssten eigentlich alle Länder haben. Doch dazu bräuchte es auch das gegenseitige Vertrauen.

Echo der Zeit, 09.08.2021, 18:00 Uhr

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