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Kunst, Kirche und Kreml Putin und der Einfluss eines orthodoxen Bischofs

Der 59-jährige Bischof Tichon Schewkunow ist eine mächtige Figur der Kirche und steht für den konservativen Flügel der Orthodoxie. Sein bürgerlicher Name ist Georgij Alexandrowitsch Schewkunow . Seine Autobiografie in Buchform wurde 2011 in Russland ein Bestseller. Und er ist Chefredaktor des wichtigsten Onlineportals der Orthodoxen.

Dazu ist er Filmemacher. In seinem Dokumentarfilm «Untergang eines Weltreichs. Byzantinische Lektion» zeigt durchschreitet der Bischof Kirchen und referiert über die Gründe für den Untergang des byzantinischen Reiches, über den verderblichen Einfluss von gierigen Europäern und über Russland als «geistige Nachfolgerin von Byzanz». Der Film wurde 2008 zur Primetime im russischen Staatsfernsehen gezeigt, pünktlich vor der damaligen Präsidentenwahl.

Ob Schewkunow wirklich der Beichtvater von Putin ist, ist schwer zu sagen.
Autor: Christine Hamel Russland-Kennerin

Tichon weiss um die Macht des Mediums Film. Er hat an der staatlichen Filmhochschule in Moskau studiert, bevor er 1982 ins Kloster ging und in der russisch-orthodoxen Kirche aufstieg. Heute ist der 59-jährige Bischof eine mächtige Figur der Kirche und steht für den konservativen Flügel.

Beichtvater oder nicht ist irrelevant

Bei uns im Westen ist Schewkunow vor allem als angeblicher Beichtvater von Präsident Putin bekannt. Dafür gebe es allerdings keine Beweise, sagt die Russland-Kennerin und Journalistin Christine Hamel: «Ob Schewkunow wirklich der Beichtvater von Putin ist, ist schwer zu sagen. Die beiden kennen sich gut, sie führen öfter Gespräche unter vier Augen.» Schewkunow nehme auch immer wieder an Reisen Putins teil.

Fast noch wichtiger ist die Tatsache, dass Schewkunow seit 2010 zum mächtigen Kulturrat des Präsidenten gehört. Er soll überhaupt erst Putins Interesse für Kunst- und Kulturfragen geweckt haben. Und wenn der russische Präsident seit einigen Jahren die Kulturpolitik streng auf Patriotismus ausrichten lässt, auf kulturelle und geistige Einheit, dann liefert Tichon Schewkunow sozusagen den religiösen Überbau, sagt Hamel: «Nach allem, was wir zurzeit beobachten, werden viele Prozesse gegen die Kunst auf der Grundlage einer vermeintlichen Beleidigung für orthodoxe Gefühle geführt.» Diese Begründung werde für Ausstellungen, Opern, Ballett herangezogen. Es gehe immer darum, dass Kunstaufführungen die Gefühle Orthodoxer beleidigen.

Viele Prozesse gegen die Kunst werden auf der Grundlage einer vermeintlichen Beleidigung für orthodoxe Gefühle geführt.
Autor: Christine Hamel Russland-Kennerin

Welche Rolle Tichon Schewkunow persönlich spielt bei Repressionen gegen regierungskritische Künstler, ist schwer abzuschätzen. Es gibt beispielsweise Berichte, wonach der russische Theaterregisseur Kiril Serebrennikow erst verhaftet wurde, nachdem sich Schewkunow bei Putin über ihn beschwert hatte. Beweise gibt es nicht und der Bischof bezeichnet die Vorwürfe als kranke Fantasien.

Die Orthodoxie liefert die nötigen Dogmen für die repressive Politik Putins.
Autor: Christine Hamel Russland-Kennerin

Doch sein direkter Einfluss auf die Regierung dürfe nicht unterschätzt werden, so Hamel: «Er hat in Prozessen gegen Künstler und Kuratoren Gutachten erstellt, die nie Partei für die Freiheit der Kunst ergriffen haben, sondern für Strafe.» Die Orthodoxie habe in Russland ein Kulturklima von Überwachen und Strafen geschaffen. «Sie liefert die nötigen Dogmen für die repressive Politik Putins.»

Im nächsten März wählt Russland einen neuen Präsidenten. Sollte Wladimir Putin erneut gewählt werden, und davon sei auszugehen, meint Russland-Expertin Hamel, dann stehe seine vierte Amtszeit möglicherweise unter den Vorzeichen der konservativen Orthodoxie.

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