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Kurden bitten Assad um Hilfe «Die Türkei wird den Druck aufrechterhalten»

Der Hilferuf aus der Kurdenmetropole Manbidsch gebe Assad weiteren Auftrieb, sagt Journalistin Inga Rogg in Istanbul.

Im Bürgerkrieg in Syrien deutet seit heute einiges auf eine grundlegende Wende hin. Wenige Tage nach dem angekündigten Truppenabzug der USA und angesichts eines drohenden Angriffs der türkischen Armee sollen syrische Regierungstruppen mit kurdischer Zustimmung in die Kurdenmetropole Manbidsch an die Grenze zur Türkei verlegt worden sein.

Inga Rogg

Journalistin

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Inga Rogg ist freie Journalistin in Jerusalem. Sie berichtete zunächst für die NZZ von 2003 bis 2012 aus Bagdad, dann bis 2019 aus Istanbul. Von 2019 bis 2023 war sie NZZ-Korrespondentin in Jerusalem. Seit Sommer 2023 arbeitet sie als freie Journalistin.

SRF News: Was ist bisher gesichert in der jüngsten Entwicklung?

Inga Rogg: Es sind zumindest einige Soldaten in Dörfer im Norden nahe der türkischen Grenze verlegt worden. In der Stadt Manbidsch, um die es vor allem geht, sind noch keine syrischen Truppen aufmarschiert. Aus Damaskus heisst es aber, man sei bereit, alle Bürger des Landes zu schützen und auch gegen Invasoren und Besatzer vorzugehen.

Was bedeutet es, wenn die Kurdenmiliz YPG die syrische Armee zur Übernahme der Kontrolle in der Region bittet?

Es zeigt eine gewisse Schwäche der kurdischen Kämpfer der YPG nach dem angekündigten Abzug der US-Truppen. Diese sind zwar im Moment noch da. Aber sobald sie weg sind, droht ein Einmarsch der Türkei. Das hat Ankara immer wieder bekräftigt und in den letzten Tagen die Drohkulisse verstärkt, indem sie Truppen ins Grenzgebiet verlegte.

Gibt es bereits offizielle Reaktionen aus der Türkei?

Erdogan hat gesagt, wenn die Terroristen aus Manbidsch abgezogen seien, gebe es für die Türkei im Grunde nichts mehr zu tun. Aber die Vorbereitungen für die Militäroperation würden trotzdem weitergehen. Die Türkei wird diesen Druck auf jeden Fall aufrechterhalten. Ankara will, dass die YPG die Kontrolle über das grosse Gebiet östlich des Euphrat verliert.

Was bedeutet das für die Kurden, die jahrelang die Kontrolle über diese Gebiete hatten?

Die Kurden waren bis vor einer Woche noch in einer sehr viel stärkeren Position. Das sind sie heute nicht mehr. Im Norden droht die Türkei. Sie müssen sich an Damaskus wenden und an die Russen. Das haben sie wohl auch getan. Es hängt meines Erachtens viel davon ab, wie Moskau sich positioniert. Aber die Kurden sind auf jeden Fall in einer geschwächten Position.

Ist damit der grosse Gewinner einmal mehr der syrischen Machthaber Assad?

Es gibt ihm auf jeden Fall weiter Auftrieb. Denn entweder schliesst die Türkei Frieden mit Assad, oder die Kurden machen Zugeständnisse und verlieren einen Teil ihrer Macht, die sie in den letzten Jahren errungen haben. Insofern profitiert Assad auf jeden Fall davon.

Das Gespräch führte Samuel Wyss.

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