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Kurdische Arbeiterpartei Was bedeutet die Auflösung der PKK für die Türkei?

Die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK legt nach eigenen Angaben nicht nur ihre Waffen nieder, sie löst sich gleich vollständig auf. Die Bedeutung und die möglichen Folgen kennt SRF-Auslandredaktor Philipp Scholkmann.

Philipp Scholkmann

Auslandredaktor

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Auslandredaktor Philipp Scholkmann war langjähriger Nahost-Korrespondent von Radio SRF. Vor seiner Tätigkeit im Nahen Osten war er Korrespondent in Paris und Moderator beim «Echo der Zeit».

Was bedeutet die Auflösung der PKK für die Türkei?

Sie ist eine historische Zäsur. Die Ankündigung der PKK hat das Potenzial, diesen blutigen Kampf zu beenden, der die Türkei mehr als vierzig Jahre lang beschäftigt und enormes Leid ins Land getragen hat. Die Auflösung der PKK ist aber auch ein Sieg für den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Er hat die Untergrundorganisation in den vergangenen Jahren mit allen Mitteln bekämpft. In der Türkei gibt es auch die These, Erdogan strebe eine weitere Amtszeit an, wozu die Verfassung geändert werden müsste. Und dazu wiederum ist seine Regierungskoalition auf die kurdischen Stimmen angewiesen. Erdogan versuche deshalb, die kurdischen Politikerinnen und Politiker mit Zugeständnissen aus der Opposition herauszubrechen und auf seine Seite zu ziehen.

Welche Rolle spielt der inhaftierte PKK-Anführer Öcalan?

Der Aufruf Abdullah Öcalans zur Auflösung der PKK war der entscheidende Anstoss. Er hatte die Kader der PKK aufgefordert, einen Kongress einzuberufen, um diese Auflösung zu besiegeln. Dieser hat nun stattgefunden. Die PKK übernimmt die Argumentationslinie von Öcalan, der bewaffnete Kampf sei wichtig gewesen. Dieser habe die kurdische Frage an den Punkt gebracht, von wo aus der Kampf um Selbstbestimmung politisch gelöst werden könne – ohne Waffen. Allerdings: Die PKK ist in den letzten Jahren immer schwächer geworden, die regionalen Machtverhältnisse haben sich immer stärker gegen sie und zugunsten von Erdogan entwickelt.

Haben die Kurden ihre Ziele erreicht?

Das ist eine Frage der Perspektive. Es gibt Kurdinnen und Kurden, die sich mit der türkischen Regierungspolitik arrangiert haben. Mehr als die Hälfte der kurdischen Bevölkerung der Türkei aber unterstützt den Kampf für die volle Anerkennung kurdischer Minderheitsrechte oder gar für Selbstbestimmung, wobei der Rückhalt für den bewaffneten Kampf über die Jahrzehnte zurückging. Viele Kurdinnen und Kurden sehnen sich nach vier Jahrzehnten des Blutvergiessens nach einem Neustart ohne Gewalt. Ein politischer Prozess auf Augenhöhe ist aber kaum zu erwarten angesichts der zunehmend autoritären Reflexe des türkischen Präsidenten.

Welche Folgen hat die Auflösung der PKK für die Kurden in der Region?

Ein paar Karten dürften neu gemischt werden: In den letzten Jahren intervenierte die türkische Armee regelmässig im Rückzugsgebiet der PKK im Nordirak, jetzt wird die Forderung laut, die türkischen Soldaten müssten sich von dort zurückziehen. Und im Nachbarland Syrien ist Erdogan der Gewinner der politischen Wende. Dort regierte ein Ableger der PKK in einer kurdischen Autonomiezone im Nordosten. Doch mit dem Sturz des Assad-Regimes wurde die Macht auch in Syrien zuungunsten der PKK neu ausgehandelt. Das dürfte die Untergrundbewegung jetzt mit dazu bewogen haben, ihr Ende zu verkünden.

Wie soll die PKK entwaffnet werden?

Das ist derzeit offen. Aus Ankara heisst es, man werde mit Argusaugen kontrollieren, dass dabei nicht getrickst werde. Unklar ist auch, wohin die PKK-Kämpfer gehen können, die in der Türkei und darüber hinaus als Terroristen gelten. Spekuliert wird, dass sie im Norden Iraks bleiben könnten – oder in westeuropäischen Ländern Asyl erhalten.

Rendez-vous, 12.5.2025, 12:30 Uhr ; 

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