Seit einem Monat kämpfen im Sudan zwei rivalisierende Fraktionen der Armee gegeneinander. Hunderttausende Menschen mussten die Flucht ergreifen. Nun keimt Hoffnung auf: Vermittelt durch die USA und Saudi-Arabien haben sich die Konfliktparteien auf eine siebentägige Waffenruhe geeinigt und die Vereinbarung mit Unterschriften besiegelt. Der UNO-Sonderbeauftragte Volker Perthes befindet sich in der Hafenstadt Port Sudan und erklärt, was es für eine stabile politische Lösung des Konflikts braucht.
SRF News: Als Chef der UNO-Mission im Sudan (Unitams) hätten Sie das Land beim Übergang zur Demokratie unterstützen sollen. Doch nun herrscht Krieg. Wieso ist die Transition gescheitert?
Volker Perthes: Letztlich scheiterte sie an den Differenzen der Generäle untereinander. Und nicht, wie man befürchtet hatte, an Uneinigkeiten zwischen der Zivilgesellschaft und dem Militär.
Es gab monatelange Verhandlungen über die Zukunft des Landes, begleitet vom Westen und auch von Ihnen als UNO-Sondergesandter. Was lief falsch?
Was die UNO falsch gemacht hat, müssen Journalisten beurteilen. Die Vereinten Nationen haben den Prozess begleitet und unterstützt, zusammen mit der Afrikanischen Union und der IGAD (nordostafrikanisches Staatenbündnis). Wir haben uns eingebracht, aber den Prozess nicht geführt. Es ist einfach, die Ausländer für das Scheitern verantwortlich zu machen.
Nach einem Militärputsch können Sie diejenigen, die an der Macht sind, nicht einfach ignorieren.
Die Zivilgesellschaft warf dem Westen stets vor, es sei falsch, mit den Generälen zu verhandeln. War das ein Fehler?
Diese Vorwürfe muss man ernsthaft anschauen. Allerdings hat auch der grösste Teil der zivilen Akteure mit dem Militär verhandelt. Nach einem Militärputsch können Sie diejenigen, die an der Macht sind, nicht einfach ignorieren. Die Verhandlungen liefen, bis sich das Militär selbst entzweit hat.
Nun kämpfen zwei Armeefraktionen um die Vorherrschaft im Sudan. Auf der einen Seite General Abdel Fattah al-Burhan mit der nationalen Armee, auf der anderen Seite Mohammed Hamdan Dagalo, der Anführer der paramilitärischen Rapid Support Forces. Sie sind mit beiden im Kontakt. Was sagen die Generäle?
Beide sagen, dass sie für den Sudan kämpfen, für eine politische Zukunft des Landes in Frieden. Beide beschuldigen sich gegenseitig, den Krieg ausgelöst zu haben. Wir müssen sie immer wieder daran erinnern, dass es ihre Aufgabe ist, die Bevölkerung zu schützen. Schliesslich erheben beide Seiten den Anspruch, die legitime Armee des Staates zu sein.
Die Spitäler funktionieren nicht mehr. Die Versorgung der Bevölkerung in Khartum funktioniert nicht mehr, und die Militärs nehmen wenig Rücksicht.
Doch wer in diesem Konflikt leidet, wer hier stirbt, sind in erster Linie die Zivilisten. Die Spitäler funktionieren nicht mehr. Die Versorgung der Bevölkerung in Khartum funktioniert nicht mehr, und die Militärs nehmen wenig Rücksicht.
Die Generäle haben schon vor der durch die USA und Saudi-Arabien vermittelte Waffenruhe Feuerpausen verkündet. Sie wurden aber stets wieder gebrochen. Glauben Sie den Generälen noch?
Darum geht es nicht. Wir müssen versuchen, das Vertrauen wiederherzustellen. Insofern ist es wichtig, dass die beiden Seiten etwa in Saudi-Arabien miteinander sprechen.
Ist eine dauerhafte Waffenruhe realistisch?
Natürlich. Wenn die Anführer beschliessen, die Kämpfe einzustellen, dann können sie das innert zwei Stunden tun. Dies ist kein Bürgerkrieg, sondern ein Kampf zwischen zwei Armeen.
Es gab schon Verhandlungen und Ankündigungen von diversen Seiten: von Südsudan, von den USA – nun wurde in Saudi-Arabien verhandelt. Bisher hat nichts gefruchtet. Von aussen betrachtet agierte die internationale Diplomatie unkoordiniert. Wie sieht es von innen aus?
Es gibt ein Stück Koordination durch die Afrikanische Union. Aber wie immer in solchen Auseinandersetzungen bieten viele regionale und internationale Akteure ihre guten Dienste an. Die Koordination geht immer nur so weit, wie einzelne Staaten und deren Führer es erlauben. Eines unserer Ziele ist in der Tat, die regionale und internationale Diplomatie zu einem kohärenten Auftreten zu bewegen.
Ist ein stabiler Sudan und eine politische Lösung des Konflikts möglich?
Ja. Das hängt aber davon ab, ob genügend politischer Wille und Druck vorhanden sind. Nach unserer Ansicht will der überwiegende Teil der sudanesischen Gesellschaft ein sofortiges Ende der Kämpfe. Erst dann ist es möglich, mehr humanitäre Hilfe ins Land zu bringen und Sudan wiederaufzubauen.
Das Gespräch führte Samuel Burri.