Im Juli sind in Chile 700'000 Lachse aus ihren Zuchtbecken entwischt. Zwei Tonnen Antibiotika sind dabei ins Meer gelangt. Wie geht das? Der Fall ist nur das neuste Beispiel dafür, wie sich mit Lachs Geld verdienen lässt. Auch zu Lasten der Umwelt.
In Chile ist nur Kupfer wirtschaftlich noch wichtiger als Lachs; allein mit dem Fisch verdient die Zuchtindustrie umgerechnet über vier Milliarden Franken pro Jahr. Die wichtigsten Absatzmärkte sind Japan, die Vereinigten Staaten und Brasilien.
Brutale Zuchtmethoden
Nach Europa gelangt chilenischer Zuchtlachs kaum. Die Konsumentinnen dort dürften diese Fische aber kaum vermissen. Die Zuchtmethoden sind so brutal, dass man bei Lachs aus Chile schnell den Appetit verlieren kann. Es ist industrielle Massentierhaltung.
Gut beobachten lässt sich das etwa auf der Insel Chiloe, einem Hotspot in der Aufzucht von Lachsen. Es ist schon dunkel, als der Kutter durch die Küstengewässer tuckert. Die Zuchtkäfige gleissen im Licht starker Scheinwerfer. Mit an Bord ist der Gewerkschafter Mauricio. Er beleuchtet zur Nachzeit Käfige: «So täuscht man den Fischen vor, es sei Tag – und sie fressen munter weiter. Damit sind sie schneller schlachtreif.»
Die Lachskäfige im Meer sind derart vollgestopft mit Fischen, dass man die Zucht mit den Bedingungen von Legehennen in Batteriehaltung vergleichen kann. Die Forderung der Fischereiaufsicht, die Zahl der Lachse im Käfig zu halbieren, quittierte die Branche mit einem Aufschrei. Dann sei es kein Geschäft mehr.
In Chile setzen die Konzerne das Dreihundertfache an Antibiotika ein.
Auch im Meer kommt die Massentierhaltung nicht ohne Antibiotika aus – die Fische sind überaus empfindlich für Krankheiten wie Lausbefall oder Viren. Verschiedene Studien weisen auf Antibiotika-Rückstände im Fleisch der chilenischen Lachse hin.
Für den chilenischen Fischereiexperten und Umweltaktivisten Juan Carlos Cardenas ist das keine Überraschung: «Wenn wir einen Blick auf Norwegen werfen, wo Lachs für den europäischen Markt viel nachhaltiger produziert wird, so ist der Unterschied frappant: In Chile setzen die Konzerne das Dreihundertfache an Antibiotika ein.»
Fische künstlich beatmen
Zu jeder Lachszucht in Chile gehören Sauerstofftanks, die regelmässig mit Tankfahrzeugen oder -schiffen gefüllt werden. Meistens während der Fütterung müssen die Lachse künstlich beatmet werden, damit sie nicht eingehen.
Die Ausscheidungen der Lachse und Nahrungsmittel-Rückstände entziehen dem Meerwasser bei der Zersetzung Sauerstoff. Schliesslich fehlt das vitale Element im Bereich der Käfige – und die Lachszüchter halten ihren Fisch mit Sauerstoffduschen am Leben.