In allen EU-Staaten ist heute Abschluss der Europawahl. Rund 370 Millionen Menschen aus 27 EU-Staaten sind und waren dazu aufgerufen, die 720 Mitglieder des Europäischen Parlaments zu wählen. Doch wie läuft die Wahl ab, die heute zu Ende geht? Und was sagen die Wahlumfragen? EU-Korrespondent Andreas Reich beantwortet die wichtigsten Fragen.
Wie läuft die Wahl ab?
Das Parlament ist das einzige Organ der EU, das direkt vom Volk gewählt wird. Je bevölkerungsreicher ein EU-Staat ist, desto mehr Parlamentarierinnen und Parlamentarier hat er. Mit 96 stellt Deutschland die meisten Parlamentarier. Die kleinsten Mitgliedstaaten Zypern, Luxemburg und Malta schicken nur sechs Personen ins Parlament. Die Wahl erstreckt sich europaweit über vier Tage. Den Auftakt machen die Niederlande am 6. Juni. In den meisten Staaten wird am 9. Juni gewählt. Ergebnisse gibt es ab Sonntagabend.
Wie viel Macht hat das EU-Parlament?
Das EU-Parlament wurde lange als «zahnloser Tiger» belächelt. Dieser Ruf hängt ihm bis heute nach. Wahr ist: Das EU-Parlament hat weniger Einfluss, als es nationale Parlamente in der Regel haben. Es kann zum Beispiel selbst keine Gesetze vorschlagen. Dieses Recht liegt bei der EU-Kommission. Tatsache ist aber auch, dass die Position des Parlaments über die Jahrzehnte deutlich stärker wurde: Heute kann auf EU-Ebene kein Gesetz in Kraft treten, ohne dass das Parlament zustimmt. Grundsätzlich gilt aber in der EU: Den grössten Einfluss hat die Gruppe der 27 Staats- und Regierungschefs (offiziell Europäischer Rat). Sie geben die politische Richtung vor.
Wie viele Sitze haben die Fraktionen im aktuellen Parlament?
Wie setzen sich die Fraktionen zusammen?
Was passiert nach der Wahl?
Zunächst werden die politischen Fraktionen neu gebildet . Offene Fragen gibt es vor allem im rechten bis rechtsextremen Lager. Werden Giorgia Melonis Fratelli d’Italia (zurzeit Teil der EKR-Fraktion) und Marine Le Pens Rassemblement National (zurzeit Teil der ID-Fraktion) künftig in einer gemeinsamen Fraktion einen grossen rechten Block bilden? Oder kommt es zu einer noch stärkeren Zersplitterung des rechten Lagers?
Die erste Sitzung des neuen Parlaments findet dann Mitte Juli statt. Eine erste wichtige Aufgabe des neuen Parlaments wird die Wahl der Kommissionspräsidentin oder des Kommissionspräsidenten sein. Ob diese aber bereits im Juli stattfindet, ist offen. Das Parlament ist in seiner Wahl nicht frei. Es kann nur wählen, wer ihm zuvor von den Staats- und Regierungschefs der 27 Mitgliedstaaten zur Wahl vorgeschlagen wird. Die Chefs der EU-Staaten treffen sich am 17. Juni ein erstes Mal, um über ihren Vorschlag zu beraten. Das Parlament kann den Vorschlag der Mitgliedstaaten aber ablehnen und ist für die Wahl des Kommissionspräsidiums deshalb entscheidend. Favoritin bleibt Ursula von der Leyen. Aber: 2019 wurde sie nur mit 9 Stimmen Differenz gewählt. Sollten ihre damaligen Hauptunterstützer, die Christlich-Konservativen (EVP), Sozialdemokraten und Liberalen Sitze einbüssen, könnte es für sie erneut knapp werden.
Was sagen die Wahlumfragen?
Wie viele andere Wahlen in Europa waren 2019 auch die Europawahlen von einer «Grünen Welle» geprägt. In diesem Jahr müssen die Grünen aber mit Verlusten rechnen. Zulegen dürften laut Umfragen dagegen rechte Parteien. Das EU-Parlament dürfte deutlich nach rechts rücken. Doch selbst wenn man die Stimmen aller rechten Parteien (EKR, ID und Fraktionslose) addiert, dürfte der rechte Block auch im neuen Parlament deutlich von einer absoluten Mehrheit entfernt sein.