Ein Mann mit lockigem Haar und jugendlichem Auftreten spricht in die Kamera: «Ihr seid willkommen!» Doch der Influencer, der für den italienischen Verein La Tenda di Gionata spricht, fügt gleich hinzu: Bitte ohne Regenbogenfahnen, Megaphone oder Slogans. Das Pilgern zur Porta Santa im Petersdom sei ein spiritueller Anlass, keine Pride.
Es sind klare Regeln für einen besonderen Moment. Denn am Samstag werden Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transmenschen erstmals offiziell im Rahmen des Heiligen Jahres nach Rom pilgern. Offen und ohne sich verstecken zu müssen – ein Novum für die katholische Kirche.
Zwischen Akzeptanz und Auflagen
Die Botschaft lautet: Sichtbar sein, aber nicht provozieren. Ein T-Shirt mit Regenbogenfarben ist erlaubt, ebenso das Logo eines LGBT-Vereins. Doch Gesichtsmasken aus Latex sind tabu. Die Regeln zeigen, wie sensibel das Thema ist.
Andrea Rubera kennt die Spannung. Er ist seit Jahren als schwuler Mann in der römisch-katholischen Kirche aktiv und hat lange auf diesen Moment hingearbeitet. «Wir waren innerhalb der Kirche lange nur ein Ärgernis», sagt er. Viele hätten das verinnerlicht und seien deshalb übervorsichtig geworden.
Papst Franziskus hat Türen geöffnet
In früheren Heiligen Jahren wagten queere Gruppen gar nicht erst, im Vatikan eine offizielle Teilnahme anzufragen – die Antwort wäre ohnehin ein Nein gewesen. Erst unter Papst Franziskus, der im April verstarb, änderte sich die Haltung.
Erstmals dürfen queere Gläubige nun sichtbar pilgern. Zwar bleibt ihnen ein offizieller Empfang beim Papst verwehrt, anders als Jugendgruppen, Familien oder Berufsverbänden. Doch für Rubera ist es ein Meilenstein.
«Für mich überwiegt die Freude, dass ich mit meiner Familie ganz offiziell zur Heiligen Pforte gehen darf – ohne mich zu verstecken», sagt er. Rubera lebt mit seinem Partner, seiner Tochter und seinem Sohn zusammen.
Hoffnung auf mehr bis 2033
Papst Franziskus hat Segnungen gleichgeschlechtlicher Paare zugelassen – wenn auch nur kurz und klar abgegrenzt von einer kirchlichen Trauung. In vielen Kirchen Afrikas und Asiens ist selbst das undenkbar.
Rubera hofft dennoch, dass sich die Haltung weiterentwickelt. «Die Kirche muss reifen und lernen, die Präsenz sexueller Minderheiten zu akzeptieren», sagt er. Spätestens beim nächsten Heiligen Jahr 2033 soll es für queere Pilgergruppen keinen Sonderfall mehr geben, hofft er.
Bis dahin bleibt das Bild von diesem Samstag: ein stiller, aber sichtbarer Pilgerzug durch die Porta Santa – ein historischer Schritt für Gläubige, die lange am Rand standen.