Was ist die juristische Basis für Trumps Vorgehen? Trump hat unter Berufung auf den sogenannten Title 10 des Kodex der Vereinigten Staaten das Kommando über die Nationalgarde in Kalifornien übernommen. In den USA haben im Normalfall die Bundesstaaten die Kontrolle über die Nationalgarde. Sie ist eine militärische Reserveeinheit und Teil der US-Streitkräfte. Jeder Bundesstaat hat seine eigene Nationalgarde, die bei Naturkatastrophen, Unruhen oder Notfällen im Inneren eingesetzt werden kann. Trump stützt die Übernahme des Kommandos über die Nationalgarde unter anderem auf eine Bestimmung des Title 10, die dem Präsidenten im Falle einer «Rebellion oder der Gefahr einer Rebellion gegen die Autorität der Regierung der Vereinigten Staaten» erlaubt, die Kontrolle über die Nationalgarde an sich zu ziehen.
Was sind die Befugnisse der Nationalgarde und der Marineinfanteristen? Trump liess am Montag auch noch 700 Marineinfanteristen des regulären Militärs nach Los Angeles schicken. Anders als die Nationalgarde untersteht das reguläre Militär immer der Bundesregierung und ist eher für Kriegsführung und die nationale Sicherheit zuständig. Es ist unklar, auf welche rechtlichen Grundlagen sich die US-Regierung bei dem Schritt stützt. Das zuständige Regionalkommando machte aber sehr deutlich, was die Aufgabe der Marineinfanteristen sein soll: Die Soldaten sollen die bereits mobilisierten Kräfte der Nationalgarde dabei unterstützen, Bundesmitarbeiter und -eigentum zu schützen.
Was wäre die nächste Eskalationsstufe? Damit die Nationalgarde und wohl auch die Marineinfanteristen weitgehendere Befugnisse hätten, müsse Trump eine Art Notstandsrecht verhängen, und ein als «Insurrection Act» bekanntes Gesetz anwenden, so der Jurist Stephen Vladeck von der Georgetown University in Washington. Dieses Gesetz von 1807 erlaubt dem Präsidenten in Ausnahmesituationen, das Militär im Inland einzusetzen und sich an Strafverfolgungsmassnahmen zu beteiligen, um die öffentliche Ordnung wiederherzustellen. Unter normalen Umständen ist dies in den USA nicht erlaubt. Diesen Schritt ging zum Beispiel auch Präsident Johnson im Jahr 1965.
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Bild 1 von 13. Einsatzkräfte von Polizei und Nationalgarde positionieren sich vor einem Regierungsgebäude in Los Angeles. (9.6.2025). Bildquelle: Reuters/David Swanson.
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Bild 2 von 13. Wie das Weisse Haus am späten Montagabend (Schweizer Zeit) bekannt gab, sollen über die kommenden Stunden und Tage weitere Mitglieder der Nationalgarde in Los Angeles eintreffen. Bildquelle: AP Photo/Ringo H.W. Chiu.
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Bild 3 von 13. Ein Polizist der California Highway Patrol entfernt einen Elektroscooter von seinem Fahrzeug. (8.6.2025). Bildquelle: Keystone / Ethan Swope .
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Bild 4 von 13. Zwei Autos brennen in Downtown Los Angeles (8.6.2025). Bildquelle: Keystone / Jae Hong.
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Bild 5 von 13. Mitglieder der Nationalgarde stehen im Zentrum von Los Angeles (8.6.2025). Bildquelle: Keystone / Caroline Brehman.
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Bild 6 von 13. Der Demonstrationszug ist zu Beginn friedlich in Downtown Los Angeles unterwegs (8.6.2025). Bildquelle: Keystone/ Jae Hong.
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Bild 7 von 13. Eine Aktivistin schwenkt eine grosse Fahne (8.6.2025). Bildquelle: Keystone / Caroline Brehman.
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Bild 8 von 13. Polizeifahrzeuge auf dem Freeway in der Innenstadt von Los Angeles (8.6.2025). Bildquelle: Keystone / Eric Thayer.
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Bild 9 von 13. In Los Angeles protestieren Demonstranten gegen Razzien der US-Einwanderungsbehörden (7.6.2025). Bildquelle: Reuters / Daniel Cole.
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Bild 10 von 13. Seit Freitag kommt es vereinzelt zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Demonstrierenden und der Polizei (7.6.2025). Bildquelle: Reuters / Daniel Cole.
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Bild 11 von 13. US-Präsident Donald Trump hat 2000 Soldaten der Nationalgarde nach Kalifornien geschickt – gegen den Willen der dortigen Behörden. (Im Bild sind Polizisten zu sehen, (7.6.2025)). Bildquelle: Reuters / Daniel Cole.
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Bild 12 von 13. In den USA haben im Normalfall die Bundesstaaten die Kontrolle über die Nationalgarde, die eine militärische Reserveeinheit und Teil der US-Streitkräfte ist (7.6.2025). Bildquelle: Reuters / Daniel Cole.
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Bild 13 von 13. Die Regierung entsende die Nationalgarde nicht, weil es in Los Angeles einen Mangel an Strafverfolgungskräften gebe, erklärte Kaliforniens Gouverneur Gavin Newsom, «sondern weil sie ein Spektakel wollen. Gebt ihnen keins. Wendet niemals Gewalt an.» (7.6.2025). Bildquelle: Reuters / Daniel Cole.
Was bedeutet die Aktivierung des «Insurrection Acts»? Praktisch gesehen dürfte die Anwendung des Notstandsgesetzes bedeuten, dass das US-Militär auch für die Strafverfolgung in Kalifornien eingesetzt werden könnte. Die Soldaten könnten dann Demonstranten festnehmen oder Razzien durchführen. Die Aktivierung des «Insurrection Acts» würde wohl zu einer weiteren politischen und gesellschaftlichen Spaltung im Land führen, die Lage dürfte weiter eskalieren – landesweite Proteste wären zu erwarten. «Wenn der Präsident den Insurrection Act anwendet, werden wir in den kommenden Stunden, Tagen und Wochen grosse juristische Auseinandersetzungen darüber erleben, ob diese weitreichenden Befugnisse unter den gegebenen Umständen angewendet werden können oder nicht», zitiert die «Los Angeles Times» die Juristin Jessica Levinson von der Loyola Law School in Los Angeles.