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Machtkampf in Kalifornien Los Angeles: Was sind Trumps Befugnisse?

Erstmals seit Jahrzehnten hat ein US-Präsident die Kontrolle über die Nationalgarde eines Bundesstaates ohne Zustimmung des dortigen Gouverneurs übernommen. Sein Vorgehen im US-Bundesstaat Kalifornien ist nicht nur höchst ungewöhnlich – sondern auch ein rechtlich umstrittener Tabubruch.

Was ist die juristische Basis für Trumps Vorgehen? Trump hat unter Berufung auf den sogenannten Title 10 des Kodex der Vereinigten Staaten das Kommando über die Nationalgarde in Kalifornien übernommen. In den USA haben im Normalfall die Bundesstaaten die Kontrolle über die Nationalgarde. Sie ist eine militärische Reserveeinheit und Teil der US-Streitkräfte. Jeder Bundesstaat hat seine eigene Nationalgarde, die bei Naturkatastrophen, Unruhen oder Notfällen im Inneren eingesetzt werden kann. Trump stützt die Übernahme des Kommandos über die Nationalgarde unter anderem auf eine Bestimmung des Title 10, die dem Präsidenten im Falle einer «Rebellion oder der Gefahr einer Rebellion gegen die Autorität der Regierung der Vereinigten Staaten» erlaubt, die Kontrolle über die Nationalgarde an sich zu ziehen.

Protestierender mit Schild vor Polizisten in Schutzkleidung.
Legende: Die Proteste in Kalifornien eskalieren weiter. REUTERS/Manuel Orbegozo

Was sind die Befugnisse der Nationalgarde und der Marineinfanteristen? Trump liess am Montag auch noch 700 Marineinfanteristen des regulären Militärs nach Los Angeles schicken. Anders als die Nationalgarde untersteht das reguläre Militär immer der Bundesregierung und ist eher für Kriegsführung und die nationale Sicherheit zuständig. Es ist unklar, auf welche rechtlichen Grundlagen sich die US-Regierung bei dem Schritt stützt. Das zuständige Regionalkommando machte aber sehr deutlich, was die Aufgabe der Marineinfanteristen sein soll: Die Soldaten sollen die bereits mobilisierten Kräfte der Nationalgarde dabei unterstützen, Bundesmitarbeiter und -eigentum zu schützen.

JD Vance: «Trump wird nicht nachgeben»

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US-Vizepräsident JD Vance hat ein hartes Durchgreifen bei den andauernden Protesten in Los Angeles angekündigt. Man werde dem FBI bei der Verfolgung von gewaltsamen Kriminellen helfen, die Ordnung wiederherstellen und der Einwanderungsbehörde ICE bei der Durchsetzung von Einwanderungsgesetzen zur Seite stehen, schrieb der Republikaner auf der Plattform X. «Präsident Trump wird nicht nachgeben», hiess es weiter, und die Regierung werde sich nicht von der «Gesetzlosigkeit» einschüchtern lassen.

Was wäre die nächste Eskalationsstufe? Damit die Nationalgarde und wohl auch die Marineinfanteristen weitgehendere Befugnisse hätten, müsse Trump eine Art Notstandsrecht verhängen, und ein als «Insurrection Act» bekanntes Gesetz anwenden, so der Jurist Stephen Vladeck von der Georgetown University in Washington. Dieses Gesetz von 1807 erlaubt dem Präsidenten in Ausnahmesituationen, das Militär im Inland einzusetzen und sich an Straf­ver­folgungs­mass­nahmen zu beteiligen, um die öffentliche Ordnung wiederherzustellen. Unter normalen Umständen ist dies in den USA nicht erlaubt. Diesen Schritt ging zum Beispiel auch Präsident Johnson im Jahr 1965.

Was bedeutet die Aktivierung des «Insurrection Acts»? Praktisch gesehen dürfte die Anwendung des Notstandsgesetzes bedeuten, dass das US-Militär auch für die Strafverfolgung in Kalifornien eingesetzt werden könnte. Die Soldaten könnten dann Demonstranten festnehmen oder Razzien durchführen. Die Aktivierung des «Insurrection Acts» würde wohl zu einer weiteren politischen und gesellschaftlichen Spaltung im Land führen, die Lage dürfte weiter eskalieren – landesweite Proteste wären zu erwarten. «Wenn der Präsident den Insurrection Act anwendet, werden wir in den kommenden Stunden, Tagen und Wochen grosse juristische Auseinandersetzungen darüber erleben, ob diese weitreichenden Befugnisse unter den gegebenen Umständen angewendet werden können oder nicht», zitiert die «Los Angeles Times» die Juristin Jessica Levinson von der Loyola Law School in Los Angeles.

Der «Insurrection Act»

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Zuletzt wurde der «Insurrection Act» 1992 angewendet. Damals kam es zu massiven Unruhen in Los Angeles, als Polizisten den Schwarzen Rodney King brutal zusammengeschlagen hatten und anschliessend freigesprochen wurden. Anders als heute hatten allerdings der Gouverneur von Kalifornien und der Bürgermeister von Los Angeles den damaligen Präsidenten George H.W. Bush um Unterstützung des Bundes gebeten.

Trump drohte bereits in seiner ersten Amtszeit während der Proteste gegen Rassismus und Polizeigewalt nach dem Tod des Afroamerikaners George Floyd damit, den «Insurrection Act» zu aktivieren. Auch im Wahlkampf sprach er immer wieder davon, das Gesetz anwenden zu wollen, und schloss dies auch jetzt nicht aus. Die Demonstranten in Kalifornien bezeichnete er als «Insurrectionists» – auf Deutsch etwa Aufständische oder Aufrührer. Am Montag sagte der Republikaner, ein Aufstand sei durch die Nationalgarde verhindert worden.

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SRF 4 News, 10.06.2025, 05:30 Uhr ; 

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