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Nach Razzien in Los Angeles Proteste in Kalifornien: Antworten auf die wichtigsten Fragen

Nach Protesten gegen die Einwanderungsbehörde ICE in den Vortagen entsendet Washington die Nationalgarde. Der Überblick.

Was ist passiert? In Los Angeles gab es am Freitag und Samstag Demonstrationen gegen die Einwanderungsbehörde ICE. Ein Teil der Demonstrationen verlief friedlich – Demonstrierende griffen aber auch schwer bewaffnete Sicherheitskräfte mit Wurfgeschossen an. Diese reagieren mit Tränengas und Blendgranaten. Der Vizedirektor der Bundespolizei FBI schrieb auf X, mehrere Personen seien festgenommen worden.

Was ist die Vorgeschichte? Bei Razzien am Freitag wurden mehr als 40 Menschen festgenommen, die sich angeblich illegal in den USA aufhalten sollen. Laut Medienberichten zwangen teils maskierte und bewaffnete US-Beamte Menschen mit Handschellen in nicht gekennzeichnete Fahrzeuge. Nach Darstellung des US-Ministeriums für Innere Sicherheit griffen daraufhin Demonstranten ICE-Beamte an. Die örtliche Polizei sei erst nach zwei Stunden eingeschritten, kritisierte das Ministerium.

Wie reagiert das Weisse Haus? Als Reaktion auf die Auseinandersetzungen kündigte US-Präsident Donald Trump an, 2000 Soldaten der Nationalgarde nach Kalifornien zu schicken. Diese sollen der «Gesetzlosigkeit ein Ende setzen», teilt das Weisse Haus mit. Trump werde als Oberbefehlshaber dafür sorgen, dass die Gesetze der Vereinigten Staaten durchgesetzt würden, sagte seine Sprecherin Karoline Leavitt. In der offiziellen Bekanntmachung hiess es, die Nationalgarde werde 60 Tage im Einsatz sein oder so lange, wie es der Verteidigungsminister Pete Hegseth für nötig halte. Am frühen Sonntagmorgen Ortszeit sind gemäss Agenturen erste Soldaten der Nationalgarde in der Innenstadt von Los Angeles angekommen.

Gruppe von Soldaten in Tarnuniform vor einem Bus.
Legende: Die Soldaten der Nationalgarde in Kampfmontur sind zum Teil mit automatischen Waffen ausgerüstet. AP Photo/Eric Thayer

Die rund 300 Mitglieder der Nationalgarde würden an drei verschiedenen Orten eingesetzt, um Eigentum und Personal des Bundes zu schützen, schrieb das zuständige Regionalkommando des US-Militärs auf der Plattform X. Weitere Elemente einer Infanteriebrigade seien unterwegs.

Einschätzungen von SRF-US-Korrespondentin Viviane Manz

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Frau mit braunen Haaren in formeller Kleidung vor weissem Hintergrund.
Legende: SRF/Lukas Maeder

Was hat es mit dem Widerstand gegen die Bundesbehörde ICE auf sich?

Die Demonstrierenden wehren sich dagegen, dass die Trump-Regierung Razzias macht und dabei, wie sie sagen, wahllos Immigranten aufgreift. Diese würden an ihrem Arbeitsplatz festgenommen.

Donald Trump wirft von Demokraten regierten Städten und Bundesstaaten seit langem vor, zu wenig gegen illegale Einwanderer zu unternehmen. In Kalifornien gibt es eine grosse Zahl von Einwanderern, die keinen legalen Aufenthaltsstatus haben, aber teils seit Jahrzehnten in den USA arbeiten. Es gibt nun Hinweise, dass die Trump-Regierung begonnen hat, vermehrt Razzien an Arbeitsplätzen durchzuführen, statt auf kriminelle Immigranten zu fokussieren, und so die Zahl der Ausgeschafften zu erhöhen.

Wie aussergewöhnlich ist es, dass die US-Regierung die Nationalgarde gegen den Willen eines Bundesstaats einsetzt?

Typischerweise entscheidet die Regierung der Bundesstaaten, ob die Nationalgarde eingesetzt wird. In Kalifornien ist das Gouverneur Gavin Newsom. Newsom und die Bürgermeisterin von Los Angeles sagen, dass die Polizei die Situation im Griff habe und dass die Nationalgarde nur das Risiko einer Eskalation befördere.

Meist wird die Nationalgarde bei Naturkatastrophen eingesetzt, selten in Fällen von schweren Unruhen. So wurde die Nationalgarde 1992 in Los Angeles gerufen bei den massiven Ausschreitungen, nachdem der Afroamerikaner Rodney King von Polizisten misshandelt worden war. Allerdings hatte der kalifornische Gouverneur damals um den Einsatz gebeten, die Unruhen dauerten mehrere Tage, es gab dutzende Todesopfer. Die aktuellen Ausschreitungen in Los Angeles sind im Ausmass viel kleiner.

Dass der Präsident gegen den Willen des Gouverneurs die Nationalgarde einsetzt, kam bisher gemäss dem Brennan Center for Justice nur einmal vor: 1965 schickte Präsident Johnson Truppen nach Alabama, um Demonstranten für Bürgerrechte zu beschützen.

Verteidigungsminister Hegseth hatte am Samstag (Ortszeit) damit gedroht, notfalls sogar US-Marines gegen die Demonstrierenden einzusetzen. Die Truppen in Camp Pendleton, das zwischen Los Angeles und San Diego liegt, seien in Bereitschaft, schrieb Hegseth. Stephen Miller, ein Hardliner in Sachen Einwanderung und stellvertretender Stabschef im Weissen Haus, schrieb am Freitag auf X, dass die Demonstrationen «ein Aufstand gegen die Gesetze und die Souveränität der Vereinigten Staaten» seien.

Was sind die Reaktionen? Die Bürgermeisterin von Los Angeles, Karen Bass, verurteilte die Razzien gegen die Einwanderer scharf. «Ich bin zutiefst verärgert über das, was hier passiert ist», schrieb Bass in einer Erklärung. «Diese Taktiken säen Terror in unseren Gemeinden und stören die grundlegenden Prinzipien der Sicherheit in unserer Stadt. Der kalifornische Gouverneur Newsom schrieb auf X, die Trump-Regierung plane dem Bundesstaat die Kontrolle über die Nationalgarde zu entziehen. Dies sei eine bewusste Provokation und werde die Spannungen nur verschärfen. Mit Bezug auf die Äusserungen Hegseths erklärte er: Der Verteidigungsminister drohe damit, Soldaten «auf amerikanischem Boden gegen die eigenen Bürger einzusetzen», schrieb er auf X. «Das ist geistesgestörtes Verhalten.»

US-Bundesanwalt: Nationalgarde innert 24 Stunden vor Ort

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Zur Eindämmung der teils gewaltsamen Proteste gegen die Abschiebung von Migranten soll die Nationalgarde Medienberichten zufolge binnen 24 Stunden in Los Angeles zum Einsatz kommen. Das schreibt die «New York Times» unter Berufung auf einen hohen Beamten der Trump-Regierung. Der Bundesstaat Kalifornien habe die Pflicht, die Ordnung und öffentliche Sicherheit aufrechtzuerhalten, sagte der oberste Bundesstaatsanwalt in Südkalifornien, Bilal A. «Bill» Essayli, demnach in einem Interview. «Und sie sind im Moment nicht in der Lage, das in Los Angeles zu tun.» 

SRF 4 News, 8.6.2025, 4 Uhr ; 

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