Nach dem bewaffneten Aufstand der Söldnergruppe Wagner am vergangenen Wochenende hat Russlands Regierung erstmals Aufnahmen von Verteidigungsminister Sergei Schoigu veröffentlicht. Das 47 Sekunden lange Video ohne Ton soll bei einem Besuch im Kampfgebiet in der Ukraine aufgenommen worden sein, teilte das russische Verteidigungsministerium mit.
Unabhängig überprüfen liess sich das zunächst nicht. Es wurden keine Angaben gemacht, von wann die Aufnahmen stammen. Russische Militärblogger wiesen wenig später darauf hin, dass das Schoigu-Video ihrer Einschätzung nach noch vor dem Aufstand aufgenommen wurde.
Was bezweckt der Kreml mit dem Video?
«Wir können da nur zwischen den Zeilen, oder besser gesagt zwischen den Bildern lesen», erklärt SRF-Auslandkorrespondent David Nauer. Der Umstand, dass Schoigu gezeigt werde, werde von vielen in Russland aber so gedeutet, dass Putin für den Moment an ihm festhalte.
Schoigu ist ein Aufsteiger, stammt aus der tiefsten sibirischen Provinz und hat bereits zu Sowjetzeiten angefangen, Karriere zu machen.
Von Schoigu hatte am Wochenende in der Öffentlichkeit jede Spur gefehlt, nachdem Söldnerchef Jewgeni Prigoschin in der Nacht zum Samstag einen Aufstand begonnen und dabei etwa die südrussische Stadt Rostow am Don zwischenzeitlich besetzt hatte. Auch Russlands Generalstabschef Waleri Gerassimow äusserte sich in diesen chaotischen Stunden nicht.
«Meister der Show»
2012 wurde Schoigu russischer Verteidigungsminister. Sein Aufstieg begann bereits in der Sowjetzeit, so Nauer. «Er ist ein Aufsteiger, stammt aus der tiefsten sibirischen Provinz und hat bereits zu Sowjetzeiten angefangen, Karriere zu machen. Erst als Bauingenieur, dann in Moskau als Minister für Katastrophenschutz und schliesslich als Verteidigungsminister.»
Ein Mann in Sibirien habe Nauer einst folgendes erzählt: «Schoigu sei ein Meister der Show, ein Meister dafür, die Fassade famos aussehen zu lassen, und zwar auch dann, wenn das Haus dahinter morsch sei.» Und wie man gesehen habe, sei das ja auch bei der russischen Armee in Teilen so der Fall, sagt Nauer. «Sie glänzt an Paraden auf dem Roten Platz, sieht super aus. In der Ukraine zeigt sich aber, dass es mit der realen Feuerkraft nicht so weit her ist.»
Sowohl gegen Schoigu als auch gegen Gerassimow hatte Prigoschin schwere Vorwürfe erhoben und ihre angeblichen militärischen Verfehlungen als Grund genannt, warum er seine Kämpfer auf Moskau marschieren lassen wollte. Nachdem Prigoschin seinen Aufstand am Samstagabend überraschend wieder für beendet erklärt hatte, mehrten sich zudem Spekulationen, ob es nun möglicherweise personelle Veränderungen in der russischen Militärführung geben werde.
Eine besondere Freundschaft
Putin hält weiterhin an Schoigu fest. Dies habe mehrere Gründe, so Nauer. «Das hat vermutlich mit einem der Grundprinzipien des Systems Putin zu tun: Loyalität. Wer loyal ist, dem wird auch Unfähigkeit, Untätigkeit, Korruption – schlicht alles – verziehen.»
Die beiden würde weitaus mehr verbinden als bloss die Arbeit. Sie seien öfters gemeinsam in die Ferien gefahren, meist in Schoigus Heimat Sibirien, so Nauer. «Die beiden wanderten dort, haben Pilze gesammelt oder Wildtiere beobachtet, und sich dabei vom Staatsfernsehen filmen lassen.»
Anlass für den Aufstand der Wagner-Söldner war unter anderem, dass Sergei Schoigu die Wagner-Soldaten bis Anfang Juli in die russische Armee integrieren will. «Diese Pläne sollen umgesetzt werden», so Nauer. Aber ob dies tatsächlich geschehen werde, sei schwierig zu sagen. Die letzten Tage hätten gezeigt, dass in Russland alles passieren könne.