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Macrons Gesellschaftsreformen «Wiedereinführung einer Art Wehrpflicht war ein Wahlversprechen»

Es war eines der grossen Wahlversprechen des damaligen Präsidentschaftskandidaten Emmanuel Macron: Die Wiedereinführung einer Art Wehrpflicht, obligatorisch für alle Jugendlichen ab 16 Jahren. Das wären pro Jahr 600’000 bis 800’000 junge Männer und Frauen. Jetzt legt General Daniel Ménagouine Macron einen Plan vor, wie diese Wehrpflicht aussehen könnte.

Rudolf Balmer

Freier Journalist

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Der Journalist Rudolf Balmer berichtet für deutschsprachige Medien aus Paris über französische Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Darunter auch für SRF.

SRF News: Wie sehen die Pläne der Experten für eine Wehrpflicht in Frankreich aus?

Rudolf Balmer: Man weiss vor allem, dass es keine klassische Rekrutenschule mit Drill und Ausbildung an Waffen oder so etwas Ähnlichem werden soll, sondern eher eine Form von Zivildienst. General Ménagouine hat aufgrund einer ersten Debatte entsprechende Vorschläge gemacht. Er schlägt Kurse in Erster Hilfe, im Verhalten bei Krisen oder Katastrophen vor, aber auch eine Art Bürgerkomitee, in dem die jungen Leute in den Regeln der Gesellschaft und Gesetzen der Republik ausgebildet werden.

Viele sind der Meinung, seit der Abschaffung der eigentlichen Wehrpflicht durch Präsident Jacques Chirac 1997 fehle dem Staat ein soziales und pädagogisches Instrument.

Wäre ein solcher Zivildienst in Frankreich mehrheitsfähig?

Die Wiedereinführung einer Art Wehrpflicht war eines der wichtigsten Wahlversprechen Macrons in seiner Präsidentschaftskampagne. Er ist mit diesem Programm gewählt worden. Man könnte daher annehmen, es gebe eine Mehrheit für die Wehrpflicht. Viele sind der Meinung, seit der Abschaffung der eigentlichen Wehrpflicht durch Präsident Jacques Chirac 1997 fehle dem Staat ein soziales und pädagogisches Instrument, um die Jungen aus allen Schichten, Regionen und Religionen zusammenzubringen. Deshalb findet ein solcher Zivildienst grundsätzlich Zustimmung. Hingegen bei der konkreten Umsetzung, etwa der Dauer oder der Frage, ob er freiwillig oder obligatorisch sein soll, sind die Meinungen sofort geteilt.

600’000 bis 800’000 junge Männer und Frauen jährlich zu versammeln, das kostet. Wer würde das bezahlen?

Offenbar sind die Kosten ein enormes Problem. Die Rede ist von mindestens drei Milliarden Euro pro Jahr. Zudem stellt sich die Frage, wo man die Leute findet, die das personell begleiten sollen, zum Beispiel Ausbildner und Leute, die die ganze Infrastruktur unterhalten. Auch sind in der Zwischenzeit viele Kasernen der französischen Armee verkauft worden. Sie stehen nicht mehr zur Verfügung. Weiter stellt sich die Frage, ob den Jungen während des Zivildiensts eine Art Sold bezahlt werden soll. Das würde ebenfalls kosten. Da gibt es sehr viele ungeklärte Fragen. Deshalb zweifeln einige Leute grundsätzlich an der Idee, andere bezweifeln, dass sie realisierbar ist.

Vieles, was man in einer Wahlkampagne ankündigen kann, stösst dann auf die harte Realität der öffentlichen Finanzen und auch der Frage der Mehrheitsfindung.

Hat Macron zu viel versprochen?

Das ist wohl das Problem jedes Präsidenten, der früher oder später mit seinen Wahlversprechen konfrontiert wird. Vieles, was man in einer Wahlkampagne ankündigen kann, stösst dann auf die harte Realität der öffentlichen Finanzen und auch der Frage der Mehrheitsfindung. Für Präsident Macron ist der Zivildienst auch ein Test, inwiefern er so weitreichende Gesellschaftsreformen durchsetzen will und kann.

Wie geht es nun weiter?

Jetzt wird aufgrund des Expertenberichts weiter diskutiert. Noch im Mai soll Macron entscheiden, ob er daran festhält. Daran zweifelt jedoch kaum jemand. Weiter muss er sich überlegen, in welcher Form das noch am ehesten zu realisieren wäre. Man erwartet, dass er vielleicht neue Experten einsetzt, die ein bisschen präzisere Vorschläge ausarbeiten.

Das Gespräch führte Simon Leu.

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