Kunden sind verärgert: Fliegen mit der Lufthansa ist auf gewissen Strecken um bis zu 30 Prozent teurer geworden. Branchenkenner werfen der Lufthansa vor, nach der Air-Berlin-Pleite die Marktstellung auszunutzen und die Flugtarife gezielt in die Höhe zu treiben.
Alarmiert sind auch die Wettbewerbshüter: Das Bundeskartellamt will die Preispolitik der deutschen Fluggesellschaft prüfen und gegebenenfalls ein Verfahren einleiten. Ist die Lufthansa dabei, ein Monopol einzurichten?
Der Wegfall von Air Berlin schadet dem Wettbewerb und verknappt momentan das Angebot insbesondere auf vielen innerdeutschen Flugstrecken.
Flugpreise pendeln sich wieder ein
Rolf Weder, Professor für Wirtschaftswissenschaft an der Universität Basel, will nicht in die Unkenrufe mancher Branchenkenner einstimmen. Für ihn ist die Entwicklung der Flugtarife nicht abgekartet, sondern die Konsequenz eines erbitterten Tiefstpreis-Kampfes:
«Dass die Preise vorher tiefer waren, hängt primär mit der Preispolitik der damals serbelnden Air Berlin zusammen. Um den drohenden Konkurs zu vermeiden, hat sie – letztlich vergeblich – mit tiefen Preisen noch möglichst viel Umsatz machen wollen. Es ist normal, dass die Preise nach der Pleite von Air Berlin wieder ansteigen. Sie pendeln sich sozusagen wieder ein.»
Wenn die Flugpreise also quasi naturgemäss wieder ansteigen, sei dies nur zu begrüssen, betont der Professor für Wirtschaftswissenschaft: «Aus gesamtwirtschaftlicher und damit auch aus ökologischer Sicht sind die Tarife für das Fliegen generell zu tief.»
Kein Anreiz, die Preise in die Höhe zu treiben
Die Tarife künstlich in die Höhe zu treiben, kann gar nicht im Sinne der Lufthansa sein, sagt Weder. «Würde die Airline ungerechtfertigt höhere Preise etablieren, riefe das unweigerlich andere Fluggesellschaften auf den Plan, die auch von den höheren Tarifen profitieren wollen. Damit stünde aber unmittelbar wieder ein Preiskampf gegen unten bevor. Und den wird die Lufthansa vermeiden wollen.»
Man kann einwenden, dass die Lufthansa aktuell keine Konkurrenz gewärtigt. Doch auch dies sei für die Klienten kein Grund zur Sorge. «Es ist nicht einmal der Eintritt eines zweiten Players in den Markt nötig. Allein die Möglichkeit, dass ein solcher in den Markt eintritt, drückt die Preise.»
Was kolportiert wird über angebliche Preissteigerungen, ist nachweisbar nicht zutreffend.
Konkurrenz in der eigenen Gruppe
Wie aber entwickeln sich die Tarife, wenn die Lufthansa erst einmal Grossteile der Air Berlin übernommen hat? Laut Lufthansa-Chef Carsten Spohr würde selbst dann Konkurrenz für moderate Preise sorgen – nämlich Konkurrenz in der eigenen Gruppe. «Da, wo es bisher nur Lufthansa und Air Berlin gab (...), kommen nun Eurowings-Flüge als Ersatz für Air Berlin hinzu.»
Weder hält – mit Blick auf die Kosten – dieses Argument nicht für gänzlich unplausibel: «Wenn die Gesellschaft die Möglichkeit hat, Destinationen mit weniger Aufwand bzw. weniger Kosten anzufliegen, wird sie das wohl tun und dies auch den einzelnen Fluggesellschaften im Konzern erlauben. Aus unternehmerischer Sicht profitiert die Lufthansa von tiefen Kosten. Und sie bereitet sich so auf den immer drohenden Eintritt von neuen Konkurrenten in die entsprechenden Destinationen vor.»
Ob die Wettbewerbshüter eben so denken, könnte sich bereits am 7. Dezember zeigen. Dann liegt der Ball bei der EU-Kartellbehörde. Sie gibt grünes oder rotes Licht für die Teilübernahme der insolventen Fluggesellschaft Air Berlin.
Sendebezug: SRF 4 News, 26.11.17, 11 Uhr.