Die Strassenzüge sind ungewöhnlich leer, Busse und Trams ebenso, selbst der traditionelle Aperitivo entfällt: Mailand ist in diesen Tagen nicht Mailand. Die Bars sind ab 18 Uhr geschlossen, genauso Kino und Theater. Fussballspiele entfallen und auch die Schulen sind zu.
Der für die ganze Woche verordnete Stillstand trifft die Wirtschaft hart, die Gastro-Branche als eine der ersten besonders. «In meinem Restaurant habe ich bereits nach zwei Tagen eine Umsatz-Einbusse von 40 Prozent», sagt Alfredo Zini vom Gastroverband Confcommercio Milano. «Einige Branchen-Kollegen verzeichnen bereits Einbussen von 100 Prozent. Nun haben sie geschlossen.»
Zinis Restaurant bleibt vorderhand offen, er muss aber je nach Verlauf bald die Reserven anzapfen: «Wir müssen unsere Leute bezahlen und das Ganze irgendwie am Laufen halten.» Kurzfristige Einbussen gehörten halt dazu, jetzt sei vernünftiges Handeln gefragt, das bringe langfristig mehr als Hektik und Panik.
Die Apotheken rundherum beklagen eine «Massen-Psychose». Die Leute verlangten Atemschutz-Masken, wo sie doch nur in bestimmten Fällen wirklich nötig seien. Sie seien bereit, im Online-Handel Wucherpreise zu zahlen, jetzt wo die Masken in den Apotheken ausverkauft sind.
Neue Arbeitsmethoden
Es fehlt auch an Nachschub der Desinfektionsgels. Die Kunden hätten dafür kein Verständnis, sagen die Apotheker. Viel Aufklärungsarbeit sei gerade nötig, um die Gemüter zu beruhigen.
Interview bei der Schweizerischen Handelskammer? Beim Swiss Business Hub Italia? Fehlanzeige. Keiner da, keine Zeit, frühestens nächste Woche. «capirai», heisst es. (italienisch: Sie werden verstehen).
Viele Firmen setzen auf neuere Arbeitsmethoden. Bei der Zurich-Versicherung etwa lautet die Order «smart working», schreibt Mediensprecherin Manuela Bottega: Tele-Arbeit, Konferenz- und Video-Schaltungen statt der üblichen Sitzungen, Absage von Workshops, Weiterbildungen, Firmen-Events.
Man bemüht sich, Ruhe zu bewahren
Im Grossraum Mailand fürchten viele eine ökonomische Kettenreaktion: verwaiste Arbeitsplätze, geschlossene Fabriken, unterbrochene Lieferketten. Eine wochenlange Blockade der Region würde die ohnehin schon angeschlagene italienische Wirtschaft weiter schwächen.
Und doch will man nicht in Panik verfallen: Ob Kleinbetrieb, ob national oder international tätige Firma – man bemüht sich sichtlich darum, Ruhe zu bewahren. Dazu gehört eine grosse Portion Zweck-Optimismus – und die Hoffnung, dass dieser Zustand möglichst bald der Vergangenheit angehört.
Tagesschau, 25.02.20, 19:30 Uhr