Ein neues Leben beginnt, ein anderes geht zu Ende. Dass Mütter bei der Geburt ihrer Kinder sterben, gehört in entwickelten Ländern grösstenteils der Vergangenheit an. Mit einer besorgniserregenden Ausnahme: den USA.
In den Vereinigten Staaten lag die Müttersterblichkeitsrate im Jahr 2015 bei 26,4. Das bedeutet: Bei 100'000 Lebendgeburten verlieren im Schnitt gut 26 Mütter ihr Leben, rund eine von 4000 Geburten überlebt die Mutter nicht. Das ergab eine Studie im Rahmen des Projekts «Global Burden Disease» der Universität Washington in Seattle.
Eine Rate von rund 26, das sind Werte, wie sie in weitaus ärmeren und weniger entwickelten Ländern wie Kasachstan oder Costa Rica üblich sind. Zum Vergleich: Die Müttersterblichkeitsrate im Nachbarland Kanada liegt bei 7,3, in der Schweiz bei 5,8.
Für die USA zeichnet auch der Mehrjahrestrend ein düsteres Bild. 1990 lag die Sterblichkeitsrate bei 16,9 – bei 100'000 Geburten starben also fast zehn Mütter weniger als 25 Jahre später. In derselben Zeitspanne ist die Rate weltweit gesunken, und zwar in Industrie-, Schwellen- und Entwicklungsländern.
Die Gründe für die hohe Müttersterblichkeitsrate in den USA seien vielfältig und noch nicht abschliessend untersucht worden, sagt Serina Floyd. Die amerikanische Gynäkologin sieht das Hauptproblem im Gesundheitssystem des Landes. Viele angehende Mütter hätten keine Versicherung oder seien unterversichert. So fehle der Zugang zu pränatalen Untersuchungen, welche überlebenswichtig sein können.
2016 verstarb die 38-jährige Kira Johnson kurz nach der Geburt ihres zweiten Kindes. In einem renommierten Spital in Los Angeles soll es zu Komplikationen beim Kaiserschnitt gekommen sein. Johnson verlor literweise Blut, zehn Stunden nach der Geburt war sie tot.
Ihr Mann Charles Johnson ist noch immer fassungslos. Nach dem Tod seiner Frau gründete er die Lobby-Organisation «4Kira4Moms». Seither zieht er durch die Staaten und wirbt auf dem politischen Parkett für eine bessere Gesundheitsversorgung von Müttern.
Er sieht die Ursache für die hohe Sterberate ebenfalls im US-amerikanischen Gesundheitswesen. Dieses konzentriere sich zu sehr auf den Profit und zu wenig auf die Patienten.
Kira Johnson war versichert, sie gehörte der gut situierten oberen Mittelschicht an. Und sie war Afroamerikanerin – und damit Teil einer Bevölkerungsgruppe, bei der die Müttersterblichkeitsrate besonders hoch liegt. Bei afroamerikanischen Frauen werden 44 Todesfälle pro 100'000 Geburten verzeichnet. Bei Frauen lateinamerikanischer Herkunft sind es 14, bei weissen Frauen 13 Todesfälle.
Für Hakima Payne ist die hohe Sterblichkeitsrate unter Afroamerikanerinnen Ausdruck eines systematischen Problems. Payne gründete die Hilfsorganisation Uzazi Village, sie bietet Gratiskurse für werdende Mütter an. Rund ein Drittel der Bevölkerung von Kansas City ist afroamerikanisch, überdurchschnittlich viele davon sind arm und unterversichert.
Der alltägliche Rassismus wirke sich auf afroamerikanische Mütter aus, so Payne. Das sei auch wissenschaftlich erwiesen worden. Diskriminierung löse Stress aus, welcher dazu führe, dass die Organe schneller altern. Das gelte auch für die weiblichen Geschlechtsorgane, was zu Komplikationen während der Schwangerschaft und bei der Geburt führen könne.
Auch Charles Johnson weiss um die hohe Müttersterblichkeitsrate unter Afroamerikanerinnen. Er zeigt sich resigniert: «Die Tatsache, dass man mich fragen muss, ob meine Frau sterben musste, weil sie Afroamerikanerin war. Das alleine ist schon ein Problem.»
Die Frage nach der ethnischen Zugehörigkeit der verstorbenen Mütter ist für Johnson jedoch zweitrangig. Der Aktivist möchte die Gesundheitsvorsorge für alle werdenden Mütter in den USA verbessern. «Es gibt zwei Arten von Menschen, entweder du bist eine Mutter oder du hast eine», fasst Johnson zusammen. «Wenn wir die Mütter und Kinder in unserem Land nicht schützen können – was tun wir dann?»