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Marode Strassen und Brücken Bidens Infrastruktur-Kompromiss ist ein wichtiger Etappensieg

Jahrelang schien es im polarisierten Klima Washingtons kaum mehr möglich, dass sich Demokraten und Republikaner auch nur auf irgendetwas einigen könnten. Doch nun ist genau das geschehen: 50 Demokratinnen und Demokraten sowie 17 Republikanerinnen und Republikaner stimmten im US-Senat dafür, eines der zentralen Vorhaben von Präsident Joe Biden voranzutreiben und auf die Vorlage einzutreten.

Der gigantische Infrastrukturplan Bidens, der mehr als eine Billion US-Dollar für die Erneuerung von Amerikas maroden Strassen, Brücken, Eisenbahnen, Flughäfen, aber auch für schnelleres Internet oder Umweltschutzmassnahmen vorsieht, ist damit zwar noch lange nicht Gesetz.

Er hat erst eine erste, mehr prozedurale Hürde genommen. Doch das ist schon ein bedeutsamer Schritt für den Präsidenten, der nicht nur mit dem Versprechen angetreten ist, das Land zu erneuern, sondern auch damit, die politischen Gräben etwas zu verringern. Das Weisse Haus feierte den Schritt im Senat denn auch entsprechend. Es sei «das bedeutendste Langzeit-Investment in die Infrastruktur und Wettbewerbsfähigkeit der USA seit fast einem Jahrhundert», liess sich Biden zitieren.

Druck in Sachen Corona wieder gestiegen

Für den Präsidenten sind es willkommene Nachrichten in einer Woche, in der der Druck zuletzt spürbar zugenommen hat. Die Coronazahlen in den USA schiessen in die Höhe. Maskenpflicht, Impfobligatorien oder regelmässige Covid-Tests für Impfunwillige werden diskutiert oder bereits eingeführt. Und dies, nachdem Biden im Juni noch die weitgehende Rückkehr zur Normalität verkündet hatte. Gleichzeitig steigt die Inflation und macht das tägliche Leben der Amerikanerinnen und Amerikaner für viele schmerzhaft teurer.

Dass in dieser Situation zumindest die moderateren Kreise beider politischen Seiten in einem zentralen Anliegen des Präsidenten bereit sind, schmerzhafte Zugeständnisse zu machen, kommt dem Weissen Haus sehr gelegen. Gleichzeitig zeigte auch Bidens Administration den Willen, flexibel zu sein und Schritte auf die aus Senatorinnen und Senatoren aus beiden Lagern bestehende Gruppe zuzumachen, die diesen Deal in langen Diskussionen ausgehandelt haben.

Progressiver Flügel verlangt mehr Ausgaben

Der Senat hat sich zwar bislang erst darauf geeinigt, den Kompromiss, den die überparteiliche Gruppierung ausgehandelt hat, weiterzuverfolgen. Dieser Kompromiss sieht unter anderem 110 Milliarden US-Dollar für die Erneuerung von Strassen und Brücken vor, 66 Milliarden für Eisenbahntrassen, 39 Milliarden für den öffentlichen Nahverkehr und weitere 55 Milliarden für sauberes Wasser. Das ist weit weniger, als der progressive Flügel der Demokraten und der Präsident selbst wollen.

Aber für Biden signalisiert dieser Kompromiss, «dass unsere Demokratie funktionieren und Resultate liefern kann». Etwas, worüber sich die USA zuletzt nicht mehr sicher waren.

Pascal Weber

USA-Korrespondent

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Pascal Weber arbeitet seit 1999 für SRF. Als Redaktor und Produzent war er zunächst in der Sportredaktion tätig, danach bei «10vor10». Von 2010 bis 2021 war er als Korrespondent im Nahen Osten. Er lebte zuerst in Tel Aviv, dann lange Jahre in Kairo und Beirut. Nun arbeitet er für SRF in Washington.

SRF 4 News, 29.07.2021, 03:00 Uhr

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