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«Marsch der Würde» Gewaltexzesse in Georgien wegen «Pride»-Veranstaltung

Prowestlicher Kurs und Übergriffe auf Schwule und Lesben: In Georgien offenbaren sich unvereinbare Gegensätze.

Im Streit um eine Demonstration für die Rechte von homo-, bi- und transsexuellen Menschen ist es am Montag in der Schwarzmeer-Republik Georgien zu Ausschreitungen gekommen. Dabei wurden auch etwa 20 Journalisten von schwulen- und lesbenfeindlichen Aktivisten angegriffen und verletzt.

Der geplante «Marsch der Würde» wurde abgesagt. Die georgische Präsidentin Salome Surabischwili sowie die Botschafter unter anderem aus Deutschland, der EU und der USA verurteilten in einer gemeinsamen Stellungnahme die Gewaltexzesse.

Demonstranten in Tiflis
Legende: Die Gewalttäter stürmten auch ein Büro der Organisatoren des Protestmarschs. Auf Bildern in sozialen Medien war zu sehen, wie wütende Menschen an der Fassade eines Hauses mit den Büroräumen hochkletterten. Reuters

Der Vorfall wirft ein Schlaglicht auf die ehemalige Sowjetrepublik, die mit einer prowestlichen Politik in die EU strebt – sich aber gesellschaftlich schwertut mit liberalen Ideen.

Kirche als Anker der Stabilität

In dem Land mit seiner einflussreichen orthodoxen Kirche gibt es starke konservative Kräfte. Dass die Kirche in Georgien nach wie vor grossen Einfluss geniesst, hat für die freie Journalistin und Georgien-Expertin Silvia Stöber viel mit Identität, Kultur und Sprache zu tun. Über die Jahre und Jahrzehnte sei die Kirche ein Anker der Stabilität im Land gewesen, gerade auch in Zeiten des Umbruchs.  

Die Organisatoren der Tbilissi Pride kritisierten, der Zivilgesellschaft, den demokratischen Werten und dem europäischen Kurs des Landes sei der Krieg erklärt worden.

Laut Stöber wurden die gewaltsamen Proteste gegen die Gay Pride in Tiflis von ultranationalistischen und rechtsextremen Gruppierungen angeführt. Dazu gebe es in Georgien aber auch aufkeimende zivilgesellschaftliche Bewegungen, die sich gegen Grossprojekte wie Wasserkraftwerke einsetzten ؘ– und gleichzeitig gegen gesellschaftliche Liberalisierung agitierten.

Wir können nicht auf die Strasse gehen, weil dort lauter brutale Menschen sind, die von den Behörden, vom Patriarchen und prorussischen Kräften unterstützt werden.
Autor: Tbilissi Pride

Die Kritik von Tbilissi Pride richtete sich vor allem auch gegen den Regierungschef Irakli Garibaschwili, der die für Toleranz eintretenden Aktivistinnen und Aktivisten verantwortlich machte für die Konfrontation in der Gesellschaft. Diese kritisierten, dass das Innenministerium und die Polizei nichts getan hätten, um die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten.

Die Tatenlosigkeit der Sicherheitskräfte habe dazu geführt, dass radikale Gruppierungen die Büros der Tbilissi-Pride-Organisation und der Bewegung «Schande» gestürmt und verwüstet hätten. «Wir können nicht auf die Strasse gehen, weil dort lauter brutale Menschen sind, die von den Behörden, vom Patriarchen und prorussischen Kräften unterstützt werden.» Das Leben der Menschen sei in Gefahr.

Politisches Kalkül der Regierungspartei

Georgien-Kennerin Stöber bestätigt: «Die Regierungspartei und Premierminister Garibaschwili haben die Gewalt durch ihre Aussagen in gewisser Weise legitimiert.» So stellten sie sich gegen den «Marsch der Würde» und bezeichneten ihn als unangemessen für die georgische Bevölkerung. «Garibaschwili behauptete auch, dass die liberale Opposition dahinter stünde – was die Spannungen zusätzlich verstärkte.»

Die georgische Regierung ist inzwischen zum dritten Mal wiedergewählt geworden. Und doch agiert sie für Stöber wegen fehlender politischen Allianzen aus einer Position der Schwäche heraus – was mithin zu ihrer zündelnden Rhetorik gegen über LGBTQ-Aktivistinnen und Aktivisten geführt habe. «Die Regierungspartei sucht Verbündete, und die orthodoxe Kirche ist ein sehr starker Akteur im Land.» Es sei offensichtlich, dass Garibaschwili sich für künftige Urnengänge die Unterstützung der Kirche sichern wolle.

SRF 4 News, 07.07.2021, 07:45 Uhr ; 

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